Christa Pöppelmann > November 1918 > Dienstag, der 7. Januar 1918
Dienstag, der 7. Januar 1918
In der Nacht haben die Aufständischen auch noch drei der wichtigsten Bahnhöfe Berlins besetzt: den Anhalter, den Potsdamer und den Schlesischen.
Der Tag beginnt dann verhältnismäßig ruhig. Auf den Straßen sind mehr Neugierige als Demonstranten zu sehen. Harry Graf Kessler notiert in seinem Tagebuch den Ausspruch eines Freundes, die Revolution gehe sozusagen „in einer höheren Atmosphäre“ vor. In seinen unteren Regionen – Cafés, Kaufläden, Verkehrsmittel – habe das Leben fast seinen normalen Verlauf. Im besetzten Mosse-Verlag erlauben die Besatzer Chefredakteur Theodor Wollff und dem Schwiegersohn des Besitzers Hans Lachmann-Mosse, einige Akten mitzunehmen. Außerdem erhalten auf Lachmann-Mosses Drängen die Bewohner des Hauses „Ausweiskarten“, um ein und ausgehen zu können.
Die Verhandlungen zwischen der SPD-Regierung und dem Revolutionsausschuss kommen zu keinem Ergebnis. Die Mehrheitssozialisten fordern als Vorbedingung eine Räumung der besetzten Zeitungsredaktionen, wozu die Aufständischen nicht bereit sind. Nicht wenige Historiker sind der Meinung, dass die Regierung mit den Gesprächen vor allem Zeit gewinnen wollte, um sich für eine militärische Auseinandersetzung zu rüsten.
Bei den Rechten und einem großen Teil des Bürgertums rennt die SPD damit offene Türen ein. Hier gibt es die Forderung, den „Terror“ der Spartakisten durch „kraftvolles Handeln“ zu beenden, schon seit langem. In der eigentlich liberalen Frankfurter Zeitung etwa heißt es, es sei sonnenklar, dass, wenn man jetzt nicht mit Gewalt durchgreife, der spätere Entscheidungskampf nur blutiger werde.“ Und die katholische Germania: „Der kranke deutsche Volkskörper verlangt nach einer Operation; sie mag schmerzhaft sein, aber sie scheint in unserer Lage die einzige Möglichkeit zu bieten, uns die Gesundheit wiederzugeben.“ Auch das Vokabular des in Ersatzräumlichkeiten erstellten Vorwärts ähnelt dem rechter Kampfblätter in der Kaiserzeit.
In der Nacht finden dann erste Versuche, noch erfolglose Versuche statt, das besetzte Wolffsche Telegraphenbüro, den Anhalter Bahnhof und die Eisenbahndirektion zu stürmen.
In mehreren Orten wie Braunschweig, Delmenhorst, Dortmund, Duisburg-Hamborn, Düsseldorf, Halle, Mühlheim, Nürnberg und Zwickau dagegen kommt es zu Sympathiestreiks mit den Aufständischen und der Besetzung von Zeitungen und öffentlichen Gebäuden.
In München demonstrieren die Arbeitslosen und fordern eine höhere Unterstützung. Als der zuständige Minister nicht reagiert, stürmen sie das Ministerium für Soziale Fürsorge. Nach etwa einer Stunde räumen die Militärische Sicherheitstruppe und die Republikanisch Schutztruppe das Gebäude. Dabei werden drei Menschen getötet und acht schwer verletzt.