Dienstag, der 28. Oktober 1919

In der Nationalversammlung steht eine Aussprache über die wirtschaftliche Lage an. Außer Minister Robert Schmidt sind gerade mal 15 Abgeordnete anwesend. Allerdings referiert der Minister auch nur die sattsam bekannten Probleme referieren und zwischen Links und Rechts entsteht der ebenso bekannte Streit, ob daran der Krieg oder die Revolution Schuld hat.

 

Die Heimkehr der deutschen Kriegsgefangenen – etwas, was in Deutschland von allen Parteien immer wieder vehement gefordert wird – soll spätestens am 2. November beginnen.

In der französischen Öffentlichkeit hatte unterdessen ein gewisser Ferdinand Mayer für Aufregung gesorgt. Er erklärte, noch Monate nach der deutschen Kapitulation und der Freilassung angeblich aller Gefangenen in deutscher Kriegsfangenenschaft gewesen zu sein. Andere Franzosen würden noch immer zurückbehalten und schmachteten in unterirdischen Höhlen. Jetzt stellt sich heraus, dass alles erlogen war. Mayer war nie deutscher Kriegsgefangener.

 

Im Berliner Tageblatt äußerst sich Kriminalkommissar Carl Hermann Krüger zur allgemeinen Unsicherheit. Natürlich habe die Kriminalität nach dem Krieg beängstigend zugenommen, gibt er zu. Aber dabei gehe es hauptsächlich um Eigenstumsdelikte, die vermeidbar wären, wenn die Menschen weniger leichtsinnig und gutgläubig seien, nicht auf jeden Trick hereinfielen und selbst zu Hehlern würden, indem sie Dinge kauften, von denen klar sei, dass es sich um Diebesgut handle. Was die Gewaltkriminalität angehe, sei die Lage weniger schlimm, als man angesichts der Verrohung und Verwilderung durch den Krieg eigentlich befürchtet habe.

 

Berlin leidet auch unter großer Wohnungsnot. Angesichts des Verlustes der deutschen Ostprovinzen, bzw. deren ungeklärtem Schicksal, kommen täglich 70 bis 100 Flüchtlingsfamilien in die Stadt. Der Groß-Berliner Wohnungsverband sendet einen dringenden Appell an die Regierung, Unterbringungsmöglichkeiten auf dem Land zu schaffen.

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