Montag, der 16. Februar 1920

Die Frage um die Auslieferungen ist gelöst! Auf britische Initiative hin gestatten die Alliierten, dass die mutmaßlichen Kriegsverbrecher von deutschen Gerichtshöfen abgeurteilt werden dürfen, behalten sich aber vor im Fall nicht befriedigender Urteile, Deutschland Strafen aufzuerlegen. Zwischen Mai und Juli 1921 finden dann in Leipzig neun Verfahren mit 12 Angeklagten statt. Sechs davon werden tatsächlich wegen nachweislich völkerrechtswidriger Kriegsführung verurteilt, die anderen sechs freigesprochen.

 

Gleichzeitig tut sich ein scharfer Graben zwischen den europäischen Alliierten Frankreich, Großbritannien und Italien einerseits und den USA andererseits auf. Die damaligen Entente-Mäche hatten Italien 1915 im Londoner Geheimvertrag weitreichende Gebietsgewinne zugesichert, darunter Triest, Istrien sowie Teile Dalmatiens. Während der Pariser Friedensverhandlungen waren jedoch auf Druck der USA nicht alle Forderungen Italiens erfüllt worden – u. a. weil sie gegen das von Wilson propagierte Selbstbestimmungsrecht der Völker verstießen. Nun aber haben sich Frankreich und Großbritannien wieder auf die Seite Italiens geschlagen und das neugegründete Königreich Jugoslawien aufgefordert, einen italienfreundlichen Kompromiss zu aktzeptieren, wenn es nicht wolle, dass Italien die Zustimmung Frankreich und Großbritannien zur vollen Umsetzung des Londoner Vertrages erhalte. US-Präsident Wilson regiert mit einer harschen Protestnote. In der französischen und italienischen Presse wird der kranke Wilson teilweise als nicht mehr zurechnungsfähig dargestellt.

 

Unterdessen rüsten in Pommern rechte Allianzen. Der Vorwärts schreibt: „In Swinemünde hat man aufgeatmetn, als die Baltikum-Truppen sich zum Abmarsch rüsteten. Es war auch nicht mehr schön. Die sehr jugendlichen Leute schwärmten in der Stadt herum, saßen in den Kneißen, tranken und lärmten und von glaubwürdiger Seite hört man, dass in der letzten Zeit weiblichen Personen abgeraten werden musste, selbst bei Tage die Straße zu betreten. Endlich verschwanden die Baltikumleute. Wo waren sie geblieben?“ Es folgt eine Liste von Gutsbesitzern, die Männer und Offiziere bei sich aufgenommen haben, teils Arbeiter dafür entlassen haben. Teils gingen die Operationen in aller Heimlichkeit bei Nacht vor sich, teilweise in aller Öffentlichkeit. „Hier laufen die Leute ganz offen mit Karabinern mit angeschnalltem Seitengewehr herum, dort nicht. In einigen Fällen erzählen sie, die Waffen wären in Swinemünde und lägen bereit, auf Erfordern sofort herangeschaft zu werden. … In einigen Orten erzählen sie, sie bekämen außer freier Station 6 Mark pro Tag von den Besitzern, in anderen sagen sie, sie bekämen außer diesen 6 M. noch 5 M. täglich vorn der Reichswehr (??) oder vom Landbund. (!!) Also im ganzen einen Tagelohn von 11 M. bei freier Station. Die Leute sagen, sie wären da, um bei der nächsten Revolution, die bald ausbrechen würde, die Herren zu schützen. … Das sind die Nachrichten, die wir erhalten. Selbstverständlich können sie auf Vollständigkeit in keiner Weise Anspruch machen. Aber sie genügen, um die Behauptung zu begründen: Der Landbund im Kreise Demmin und insbesondere die Junker sind bis an die Zähne bewaffnet.“

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