Christa Pöppelmann > November 1918 > Freitag, der 5. März 1920
Freitag, der 5. März 1920
Im Erzberger-Helfferich-Prozess sind nun die Verteidiger des Ministers dran. Sie stellen Erzberger als einen Mann hin, der gewiss seine Fehler habe, sein Herz auf der Zunge trage, oft vorschnell rede und sich engagiere, dabei aber immer redliche und idealistische Motive habe. Die verhängnisvolle Rolle des U-Boot-Krieges und was der Kriegseintritt Amerikas bedeute, habe er klarer erkannt als die meisten anderen. Überhaupt habe er sich als Politiker ungeheure Verdienste um den Staat erworben und sei mit der ihm eigenen Courage vor keiner Aufgabe zurückgeschreckt, nicht einmal den Waffenstillstandsverhandlungen. „Erzberger ist nicht mit Geld, Protektion oder durch skrupellose Mittel emporgetragen worden, er ist kein Schmutzian, kein unwahrhafter, schlechter Mensch. Zwischen ihm und dem Angeklagten bestehen unvereinbare Gegensätze. Erzberger ist alles aus und durch sich geworden. Der Angeklagte ist nicht ganz so aus selbst heraus die Sprossenleiter des Erfolgs hinaufgestiegen. Im Jahre 1914 bekleidete er nicht weniger als vierzehn Direktoren- oder Aufsichtsratstellen. In seinem Milieu fällt man nicht auf Erfindungen herein, hat man nicht den Erfindungstick. Helfferich machte nur gute Geschäfte. Schon früh hatte er eine instinktive Feindschaft gegen den Emporkömmling und Nichtfachmann, gegen den ehemaligen Lehrer, der außer gut lesen, schreiben und deutschen Aufsatz nichts gelernt hat.“