Dienstag, der 3. Dezember 1918

Stadtkommandant Otto Wels trifft sich mit Kurt von Behr, dem Generalstabschef des Gardekorps und zwei Unteroffizieren namens Mutz und Krebs, von deren letzterer auch Soldatenrat beim Generalkommando ist. Diese behaupten Kenntnis davon zu haben, dass in den nächsten Tagen ein spartakistischer Aufstand geplant sei. Sie sind so überzeugend, das Wels mehrere Kommandos der Berliner Truppenteile in Alarmbereitschaft halten lässt. Den Soldaten wird fünf Mark Sonderlöhnung versprochen.

 

Im Berliner Tageblatt ruft die Schriftstellerin und Pazifistin Auguste Hauschner ihre Geschlechtsgenossinnen nicht nur auf, sich politisch zu engagieren, sondern es besser zu machen als die Männer: „Nicht des Mannes Welt verdoppelt, die Welt noch einmal sollt ihr werden. Bedenkt, wie ihr im Vorteil seid ihm gegenüber. Seit Jahrtausenden steht der Mann in der politischen Arena. Seine Gebärden sind geprägt, seine Mittel sind verbraucht. Ihr seid politisch ein unbeschriebenes Blatt. Erwägt, die erste Niederschrift, die ihr ihm anvertraut. Ihr seid ein Anfang, beginnt nicht mit dem Ende. Staatskunst sollt ihr üben, trachtet vor allem, ihr Handwerk zu erlernen. Still euren Durst nach Kenntnissen, aber nicht aus abgeleiteten Kanälen. Trinkt aus den Quellen … der objektiven Wissenschaft. Unterrichtet euch aus Dokumenten der Geschichte, aus Gesetzbüchern, beobachtet das Leben, seine Bekenntnisse und seine Not. Lernt nicht sehen durch gefärbte Gläser. Lasst euch eure Überzeugung nicht in Parteiversammlungen und Blättern mundgerecht kredenzen, bereitet ihr die Nahrung selbst. Lernt denken, lernt eure Meinung haben. … Es gibt keine absolute Wahrheit, nur eine ehrliche Wahrhaftigkeit, gegen die ohne Unterlass gesündigt zu haben, die größte Mannessünde dieser letzten fürchterlichen Jahre war.“ Zwei Tage später warnt die Sozialreformerin Alice Salomon, dass das Wahlrecht für viele Frauen ohne vorherige „Politisierung“ gekommen sei. Diese müsse nun möglichst schnell nachgeholt werden, jedoch jenseits von Parteiinteressen. „Bleibt es den Parteien allein überlassen, heut um die Frauen zu werben, so entsteht die Gefahr, dass nicht die Frauen das Wahlrecht brauchen, sondern dass es durch sie von anderen gebraucht wird.“

 

Wieviel der Krieg Deutschland kosten wird, ist noch nicht raus. Durch die Presse geistern mögliche Entschädigungsforderungen der Entente. So soll Deutschland für alle Schäden aufkommen, die der Zivilbevölkerung in Belgien, Nordfrankreich und Serbien, eventuell auch in Rumänien und Italien zugefügt wurde. Als mögliche Summe für Belgien und Frankreich werden 2 bis 2,5 Millarden Pfund gehandelt. Außerdem wird darüber spekuliert, dass Deutschland sein ganzes Gold abliefern muss, im Feindesland zerstörte Häuser wieder aufbauen soll, die durch U-Boote zerstörten Handelsschiffe ersetzen muss und Naturalentschädigung in Form von Kohle, Eisen, Zement, Holz und Steinen liefern.

 

Währenddessen fordert der Krieg in Belgien immer noch seine Opfer. In Scherbeck kommen acht Kinder um, die mit einer zurückgelassenen deutschen Granate spielten. 21 weitere werden verletzt. US-Präsident Wilson ruft alle Nationen dazu auf, Nordfrankreich und Belgien in wirtschaftlichen Bedingungen bevorzugt zu behandeln, damit die verwüsteten Landstriche wieder zum Leben erweckt werden.

 

Der Journalist Erich Dombrowski wirft den deutschen Arbeiter- und Soldatenräten unterdessen Verschwendung vor. In vierzehn Tagen hätten sie bereits 800 Millionen Mark ausgegeben, das seien zwei Drittel des Jahresetats für das Militär vor dem Krieg. Vor allem würden völlig unangemessene Löhne und Gehälter bezahlt und dem Wertverfall des Geldes Vorschub geleistet.

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