Freitag, der 9. April 1920

Deutschland protestiert bei Eric Drummond, dem Generalsekretär des Völkerbundes, gegen die Besatzung der hessischen Städte. Der ehemalige Kolonial- und Finanzminister Bernhard Dernburg legt im Berliner Tageblatt dar, dass bei strittigen Fragen wie der, ob die deutsche Ruhraktion ein Bruch des Versailler Vertrages sei, der Konflikt erst einmal der Völkerbund zur Schlichtung zugezogen werden müsse. Dagegen habe Frankreich zweifelsfrei verstoßen.

Währenddessen greift die französische Presse den britischen Premierminister Lloyd George heftig an. André Géraud, genannt Pertinax, schreibt, dieser sei ein Politiker ohne Urteil, der die germanische Gefahr 1914 unterschätzt habe und dies jetzt wieder tue. Italien und die USA dagegen äußern eher Verständnis für die deutsche Position.

 

 

Der aus dem Ruhrgebiet zurückgekehrte Sonderberichterstatter des Berliner Tageblatts, Paul Michaelis, zeigt sich über die „vielfach unklaren und widerspruchsvollen Auffassungen überrascht, mit denen in Berlin die Vorgänge an der Ruhr betrachtet werden‘. Während die Rechte nur roten Terror sehe, ergehe sich die radikale Linke im „Wüten der Soldateska“ und „Schandtaten der Reichswehr.“ „In Wirklichkeit hat auf beiden Seiten menschliche Unzulänglichkeit und Überhebung die ohnehin gespannte Lage ins Unerträgliche gesteigert.“ Ob es Auschrietungen der Reichswehr, wie sie insbesondere dem Korps Epp nachgesagt würden, gegenben habe, könne er aus eigener Anschauung nicht sagen. Er habe übertriebene Härte beobachtet. Auch habe etwa das Duisburger Standgericht nur ein einziges Todesurteil ausgesprochen, dieses jedoch nicht vollstreckt. „Im Übrigen soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Reichswehr von dem festen Entschlus beseelt war, mit voller Entschiedenheit durchzugreifen. Man darf nicht übersehen, dass von allen Seiten, auch von Mehrheitsozialisten und Unabhängigen, Hilferufe um Befreiung vom roten Terror an die Truppe gelangt waren.“ Michaelis räumt aber auch ein, dass sehr blutige Gefechte zwischen nicht zimperlichen Reichswehrtruppen und gut ausgerüsteten und ausgebildeten Rotgardisten stattgefunden haben. „Das war Krieg, wenn auch leider Bürgerkrieg.“ Noch schlimmer aber seien die „Schlachtenbummler, die nach Art des Trosses im Dreißigjährigen Kriege hinter der Front plünderten und raubten, was sie erpressen konnten“ gewesen, sowie der heimtückische Widerstand durch in Häusern verschanzte Heckenschützen mit anschließenden blutigen Straßenkämpfen.

 

Der ehemalige Marineoffizier Lothar Persius fordert im Berliner Tageblatt die schnelle Säuberung des Militärs. „Robespierre ermahnte einst die Franzosen: ‚Hüten wir uns, das Los der Revolution in die Hände der militärischen Führer zu legen.‘ Unsere Regierenden beherzigen bisher dies allgemeine Geltung verdienende Gebot nicht. Sie konnten sich trotz aller trüben Erfahrungen nicht dazu entschließen, den preußischen Militarismus aufzugeben. … Was zu geschehen hat, um ein wirklich republikanisches Heer heranzuziehen? Scharfe Säuberung von allen unsicheren Elementen, und zwar mit äußerster Beschleunigung – öffentliche Bekanntmachun, der Bestrafung –, Belehrung der in Reichs- und Sicherheitswehr dienenden Offiziere, die fast durchgängig politische Kinder sind, darüber, dass, wer nicht aus Überzeugung für die Republik eintritt, ein ehrloser Lump ist, der im entsprechenen Fall wegen Eidbruch ins Zuchthaus wandert. Endlich muss die Neubesetzung der Offiziers- und Unteroffiziersstellen mit zuverlässigen, demokratisch fühlenden Männern vor sich gehen. Mit solchen Truppen, in denen organisierte Arbeiter, Angestellte usw. Aufnahme finden müssen und die in wenigen Wochen in genügender Zahl aufgestellt werden können (auch wenn ‚militärische Autoritäten‘ erklären, das sei ‚aus technischen Gründen’ unausführbar), wird es möglich sein, die Aufrührerbanden, die noch immer in den verschiedensten Landesteilen ihr Unwesen treiben, zu entwaffnen. … Unter Entwaffnung ist selbstverständlich auch zu verstehen die Beseitigung aller solcher Führer, die unter dem Deckmantel, ‚die bolschewistische Gefahr‘ bekämpfen zu wollen, sich unbotmäßig gegenüber der Regierung zeigen, nur ihren miliaristischen Gelüsten fönen, und die Ruhe unter der Arbeiterbevölkerung durch ihre rigorosen Maßnahmen bedrohen. Es empfiehlt sich, bei diesem Prozess die Soldaten im allgemeinen zu amnestieren, wenn sie sich sogleich unterwerfen, andernfalls ihnen langjährige Zwangsarbeit in Aussicht zu stellen.“

Ein ehemaliger Hauptmann namens Willy Meyer ruft ebenfalls im Berliner Tageblatt dazu auf, einen Zusammenschluss demokratisch gesinnter Offiziere zu gründen. „Wer diese Darlegungen billigt, schreibe mir bitte. Einerlei, ob aktiver oder Reserve- oder Landwehroffizier, einerlei, welchen Ranges er ist. Ich werde die Gleichgesinnten zu einer Aussprache bitten, um zu versuchen, einen Zusammenschluss herbeizuführen.“

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.