Christa Pöppelmann > November 1918 > Montag, der 12. April 1920
Montag, der 12. April 1920
Der Aufstand im Ruhrgebiet ist niedergeschlagen. Kanzler Müller nennt in seiner Rede im Reichstag den Kapp-Putsch, den er als Offiziersrevolte, bezeichnet, als den Auslöser allen Übels und lobt, das die Bevölkerung, vor allem die Arbeiterschaft verhindert habe, dass der Aufstand auch ins Ruhrgebiet getragen worden sei. Leider sei darüber das Vertrauen in die Reichswehr insgesamt verloren gegangen. „Mit tiefstem Misstrauen sah besonders im Ruhrrevier die Arbeiterbevölkerung den Vorgängen innerhalb des Militärs zu. Sie konnte in diesem Durcheinander, in das die reaktionären Putschisten das Reich geführt hatten, kaum noch erkennen, ob sie verfassungstreue oder eidbrüchige Truppen vor sich hatte. Diese Atmosphäre von berechtigtem und unberechtigtem Misstrauen machten sich die Elemente zumute, denen es bei der ganzen Aktion nicht um die Verfassung gegangen war.“ Den Einsatz gegen die Rote Ruhrarmee jedoch verteidigt Müller. Alle Klassen der Bevölkerung dort hätten um Hilfe geschrieben. Und man hätte Truppen auch nur dort hingeschickt, wo diese Hilfe gefordert worden sei. Aber zum Beispiel nicht nach Wuppertal, wo die Arbeiterschaft selbst für Ordnung gesorgt und Milizen entwaffnet habe. Erich Dombrowski spottet im Berliner Tageblatt: „Hermann Müller bemühte sich, als er rednerisch in das Ruhrgebiet hinabstieg, Licht und Schatten nach beiden Seiten hin gleichmäßig zu verteilen. Mit heißem Bemühen versuchte er, sich seinen Weg rechts und links durch das dornige Gestrüpp zu bahnen.“ Erfreulich klar sei hingegen die Verurteilung der französischen Haltung gewesen. Hier, so meint Dombrowski, stehe auch das ganze Volk von der rechten bis zur äußersten Linken geschlossen hinter der Regierung. Müller beteuert, man wolle, die deutsche Demokratie inmitten der europäischen Demokratie bilden und das Duell Deutschland-Frankreich beenden. Doch das französische Vorgehen haben eine ungeheure Aufpeitschung der nationalistischen Instinkte bewirkt. „Es bleibt dabei: die Chauvinisten aller Länder leisten einander die treueste Bundeshilfe. Sieht man in Frankreich diese Zusammenhänge nicht? Sieht man nicht die Gefährdung der Republik? Sieht man nicht, dass in Deutschland die Nationalisten neuen Mut fassten, dass sie am Ende gar durch das französische Vorgehen Oberwasser bekommen und unter diesem neuen Lüttwitz die Verfassung und das Reich endgültig ins Verderben stürzen? Wir wollen nicht mitschuldig sein an solchen verhängnisvollen Erscheinungen. Wir kämpfen, solange wir dazu die Kraft haben, gegen den fremde und den einheimischen Chauvinismus. Kapp oder Foch, wir erlauben dem Militarismus keine Rückkehr in die Regelung der Völkerbeziehungen.“
Die Räumung des Ruhrgebietes zieht sich jedoch hin, was zur Folge hat, dass auch die französische Besetzung der hessischen Städte bis zum 17. Mai dauert. Höchst mit dem Chemiekonzern Hoechst bleibt sogar bis 1930 besetzt.