Samstag, der 11. Oktober 1919

Die Alliierten verhängen in der Ostsee eine sogenannten Kleine Blockade, die deutsche Schiffe am An- und Auslaufen hindert. Begründet wird das mit der Einnahme Rigas durch die „weiße“ Westrussische Befreiungsarmee, der sich auch deutsche Einheiten angeschlossen haben. Außerdem werden Deutschland und die neutralen Staaten Europas aufgefordert, keinerlei Kontakt mit dem bolschewistischen Russland zu pflegen, d. h. keine Geschäftsbeziehungen, keinen Postverkehr und auch keine Visa für Privatpersonen. Das Echo darauf in Deutschland ist gespalten. Der Vorwärts bezeichnet eine solche Politik gegen einen Staat, mit dem man sich nicht im Krieg befindet, völkerwiedrig, die Kreuzzeitung fordert, Deutschland dürfe sich nicht in seine eigene antibolschewistische Politik hineinreden lassen, das Berliner Tageblatt weist darauf hin, dass es bereits jetzt keinen Postverkehr und kaum Handel gäbe. Den privaten Reiseverkehr zu unterbinden sei weder praktikabel noch sinnvoll, schließlich gäbe es eine große Anzahl Russen, die keine Bolschewisten seien.

 

In Berlin wird darüber diskutiert die große Wohnungsnot durch die Beschlagnahmung von Privatwohnungen und Hotelzimmern zu bekämpfen. Bruno Stümke spricht sich im Berliner Tageblatt entschieden dagegen aus. Wenn der Staat die Privatwohnung nicht mehr respektiere, führe das zu einem ungeheurem Vertrauensverlust, und die Verwendung von Hotelzimmern als Dauerwohnraum würde das Wirtschaftsleben gefährden, da Geschäftsleute keine Bleibe mehr fänden. Er appelliert dagegen, weniger Konzessionen für Kinos – aktuell liegen 615 Neuanmeldungen vor –, Restaurants, Bars und „Nepphöhlen“ zu vergeben.

 

In Thüringen beschließen die Länder Sachsen-Altenburg, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Coburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sonderhausen und Reuß ihre Vereinigung. Preuische Exklaven in Thüringen wie der Landkreis Schleusingen, die Herrschaft Schmallkalden oder der Landkreis Ziegenrück werden aber wegens des preussischen Vetos außen vor bleiben. Im Verlauf des Einigungsprozesses springt auch noch Coburg ab. Eine Volksbefragung am 30. November 1919 votiert für einen Anschluss an Bayern.

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