Montag, der 14. Oktober 1918

Am frühen Morgen trifft in Berlin eine weitere Note von US-Außenminister Lansing ein. Darin erklärt er klipp und klar, dass nur die Regierung der Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten über den „Vorgang der Räumung und die Bedingungen eines Waffenstillstandes“ zu befinden hätten. Alle Maßnahmen müssten „völlig befriedigende Sicherheiten und Bürgschaften für die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen militärischen Überlegenheit der Armeen der Vereinigten Staaten und der Alliierten“ bieten. Auch werde sich Präsident Wilson nicht auf die Erörterung eines Waffenstillstandes einlassen, „solange die deutschen Streitkräfte die ungesetzlichen und unmenschlichen Handlungen fortsetzen, auf denen sie noch immer beharren.“ Noch immer würden von den deutschen U-Booten Passagierschiffe versenkt und noch immer wäre der Rückzug in Frankreich von unmenschlichen Handlungen, Plünderung und Verwüstung begleitet. Die Durchführung eines Friedens hänge deshalb davon ab, welche Bürgschaften die deutsche Regierung dafür geben könne, dass dies künftig nicht mehr vorkomme. Nicht nur die Bedingungen, auch der schroffe Ton lässt bei den Mitgliedern der neuen deutschen Regierung die Hoffnung schwinden, von US-Präsident Wilson als willkommene Bündnispartner bei der Schaffung eines Friedens auf Basis der 14 Punkte behandelt zu werden. Der Abgeordnete Conrad Haußmann sagt später, die Note habe wie eine Bombe eingeschlagen.

 

Die deutsche Öffentlichkeit bekommt den Text vorerst nicht zu Gesicht. In seiner wöchentlichen Analyse der militärischen Situation im Berliner Tageblatt ergeht sich Generalleutnant von Ardenne in Bedenken, dass die deutsche Regierung keine Gegenleistungen für die Räumung der besetzten Gebiete gefordert habe, verweist aber andererseits darauf, dass der Schritt mit der Obersten Heeresleitung abgesprochen sei. Auch habe die Siegfriedstellung im Westen zwar Einbrüche erlitten, sei aber nicht durchbrochen worden. Der deutsche Rückzug habe zu einer Verkürzung der Frontlinie geführt, was eine Verstärkung möglich mache, während die Angreifer mehr und mehr mit Schlamm und Kälte zu kämpfen hätten. „Wie die Kriegslage sich darstellt, haben die deutschen Armeen die Gewähr dafür, dass sie den Krieg, wenn er ihnen weiter aufgedrungen werden sollte, noch auf unbegrenzte Zeit in Feindesland fortführen können“, schließt Ardenne. „Wenn kürzlich wieder alberne, wahrscheinlich von der gegnerischen Propaganda genährte Gerüchte wissen wollen, die deutsche Oberste Heeresleitung glaube im nächsten Frühjahr nicht mehr für das Halten der Westfront einstehen zu können, so muss dem auf das schärfste entgegengetreten werden.“

Zwei Tage später notiert Chefredakteur Theodor Wolff nach einem Besuch Ardennes in der Redaktion, dieser habe zehn Jahre älter gewirkt. Er wolle all die Neuigkeiten nicht glauben, wisse nichts davon, dass die OHL den Friedensschritt wünschte und werde anscheinend immer noch „ganz falsch optimistisch“ instruiert.

 

Als einer der ersten Nutznießer, der vor zwei Tagen verkündeten Amnestie, wird der sozialistische Autor Kurt Eisner aus der Haft entlassen, der in Zusammenhang mit den Janurstreiks in München verurteilt worden war.

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