Dienstag, der 15. Oktober 1918

Parallel zum diplomatischen Poker mit den USA arbeitete die neu Regierung auch fieberhaft an einer neuen, demokratischen Verfassung. Doch darüber kann das Parlament nicht alleine entscheiden, denn es gibt im deutschen Kaiserreich noch eine zweite Kammer, den Bundesrat. In diesem sitzen Regierungsvertreter der 26 Einzelstaaten, die mit Ausnahme der Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck alle monarchisch regiert sind. Theoretisch ist der Bundesrat sogar die höchste Instanz im Kaiserreich, faktisch hat er die deutsche Politik bisher meist dem Kaiser und Kanzler überlassen.

Auch jetzt entschließen sich die Mitglieder, der vom Kaiser eingeleiteten Wende zu folgen, und billigen einen Verfassungsentwurf, der u. a. vorsieht, dass in Zukunft über Kriegserklärungen und Friedensschlüsse nicht nur Kaiser und Bundesrat, sondern auch das Parlament entscheidet. Pläne, dass der Kanzler künftig durch ein Misstrauensvotum des Parlaments, jedoch nicht des Bundesrates abgesetzt werden kann, stoßen auf Vorbehalte. Deswegen und weil die zweite Lansing-Note einer Antwort bedarf, wird eine für Mittwoch angesetzte Reichstagssitzung auf den 22. Oktober verschoben.

Die rechte Presse schäumt, als die geplanten Verfassungsänderungen bekannt gegeben werden. Die Deutsche Tageszeitung titelt „Die letzte Schmach“ und erklärt: „Auf Geheiß Wilsons will also unsere gegenwärtige Regierung nicht nur das letzte Recht der Kaisergewalt, das ohnehin bereits stark entwertet worden war, völlig zerstören, sondern auch die einzige Waffe, die uns vor der Vernichtung noch retten kann, das Wesen unseres Heeres und die unvergleichliche Vertrauensstellung seiner Führer, zerbrechen. Hindenburg und Ludendorff sollen den Befehlen von Scheidemann und Erzberger usw. unterstellt werden.“

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