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Montag, der 18. November 1918
Oberst Hans von Haeften, nach wie vor Verbindungsmann der OHL zur Reichskanzlei (und Vater der in Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 hingerichteten Widerstandskämpfer Hans Bernd und Werner von Haeften), bietet Ebert einen Putsch an. Die OHL werde einige Divisionen in Berlin einmarschieren lassen, die Arbeiter- und Soldatenräte auflösen und ihn zum Reichspräsidenten mit diktatorischen Vollmachten ausrufen. Ebert lehnt ab.
In der Roten Fahne räumt Rosa Luxemburg ein, dass Scheidemann und Ebert die berufene Regierung in ihrem heutigen Stadium seien. „Aber die Revolutionen stehen nicht still. Ihr Lebensgesetz ist rasches Vorwärtsschreiten, über sich selbst Hinauswachsen …“ Für sie ist bislang erst ein Anfang gemacht. Doch jetzt müsse sich entscheiden, ob das Weitere „in die Hand der Zwerge, … die dem Rad der Geschichte in die Speichen fallen wollen“ gegeben werde oder es weitergehe; ob eine bürgerliche oder ein eine sozialistische Demokratie entstehe.
Das finden auch mehr als tausend Vertreter des Bürgertums, Beamte, Industrielle und Bankiers, die sich im großen Saal der Berliner Philharmonie treffen und einen Großberliner Bürgerrat als ihre Interessensvertretung zu gründen. „Vor allem“, heißt es dort, „müssen alle Kräfte gegen eine Einführung des Bolschewismus angestrengt werden.“ Man erkenne aber trotz aller politische Differenzen die Regierung an, die man unterstützten wolle. Ziel sei, „die im Bürgertum schlummernden Kräfte wecken“. Dazu wird eine Nationalversammlung, so schnell wie möglich gefordert.
Im Chaos endet eine Versammlung des Zweckverbandes der Bäckermeister Groß-Berlins. Eigentlich sollte über die Mehlverteilung und die Lohnforderungen der Bäckergesellen verhandelt werden. Schnell werden jedoch Vorwürfe laut, der derzeitige Vorstand hätte im Krieg kleine Bäckereien benachteiligt sowie gutes Mehl verschoben und stattdessen vor allem der Kommissbrot– und Gefangenenbäckerei solches zugeteilt, dass sonst zu Hundekuchen verarbeitet worden sei. Als der Vorstand sich verteidigen will, wird er niedergeschrien. Die Gegner versuchen im Hauruck-Verfahren einen neuen Vorstand zu installieren, wogegen sich jedoch ein erheblicher Teil der Versammelten vehement wehrt. Das Ganze endet schließlich damit, dass der Besitzer der Gemaniasäle, wo die Versammlung tagt, die sofortige Räumung fordert und – um dem Nachdruck zu verleihen – teilweise das Licht abschaltet.
In Lettland erklärt ein Volksrat die Unabhängigkeit des Landes. Allerdings hat die neue Regierung in der Bevölkerung wenig Rückhalt. Die alten deutschbaltischen Eliten erkennen sie nicht an. Die Masse der einfachen Bevölkerung dagegen, viele davon Landarbeiter, hoffen auf grundlegende soziale Änderungen durch die russischen Bolschewisten.
Die deutsche Kriegsflotte aber begibt sich in Gefangenschaft. Wie im Waffenstillstand von Compiègne gefordert, wird der einstige Stolz Kaiser Wilhelms II. ausgeliefert, die Waffen unschädlich gemacht und die Schiffe teilweise ausgeschlachtet. 74 Schiffe aber treten unter Führung des neu eingesetzten Kommandanten Ludwig von Reuter ihre Fahrt Richtung Orkney-Inseln an. Dort haben die Briten die als Naturhafen genutzte Bucht von Scapa Flow für die Internierung vorgesehen. Bei der Überführung fährt eines der Torpedoboote auf eine Mine, wobei zwei Matrosen umkommen.
Außenamts-Chef Solf aber verfasst wieder einmal eine dringende Note an seinen amerikanischen Kollegen Lansing, in dem er um Verhandlungen über die Abgabe von Eisenbahnwaggons und der Beendigung der Seeblockade drängt. Wieder geht es um drohende Hungerrevolten, aber auch um die Lahmlegung der Fischerei in Nord- und Ostsee sowie deutscher und skandinavischer Industrien aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten. Frankreichs Marschall Foch lässt jedoch mitteilen, dass an der Bedingung, 5000 Lokomotiven und 150.000 Wägen innerhalb von 31 Tagen abzugeben, nichts geändert werden könne.