Montag, der 20. Oktober 1919

In der westeuropäischen Presse wird allenthalben über eine nahe (oder gerüchteweise schon erfolgte) Einnahme von St. Petersburg „Weiße Armee“ des russischen Generals Nikolai Judenitsch diskutiert. Viele Betrachter gehen davon aus, dass der Zusammenbruch des Bolschewismus dann nur noch eine Frage der Zeit ist. Unterstützt wird Judenisch auf Betreiben der Alliierten von estnischen und lettischen Truppen. Auch englische Kriegsschiffe, die den Hafen von Kronstadt belagern, leisten Schützenhilfe. Währenddessen kämpft der nominell Judenitsch unterstellte Pawel Bermondt-Awalow mit seiner Westrussischen Befreiungsarmee weiter gegen die Letten. Da diese auch nach der Abberufung von Rüdiger von der Goltz noch weitgehend aus deutschen Freikorps-Leuten besteht, gilt sie bei den Alliierten als deutsche Kampfeinheit. In der französischen und britischen Presse, so das Berliner Tageblatt, würden die Erfolge von Judenitsch als Sieg deshalb auch als Siege über Deutschland gefeiert. Denn nach Meinung der dortigen Chauvinisten, sei der Bolschewismus am Ende. „Die ganze Frage ist, zu wissen, wer ihm den Todesstoß versetzen wird, die Alliierten oder die Deutschen.“

 

In Berlin wird Hugo Haase ein zweites Mal operiert. Er fiebere noch und auch sein Allgemeinbefinden lasse zu wünschen übrig, heißt es. Aber zu ernsten Befürchtungen bestehe kein Anlass mehr.

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