Christa Pöppelmann > November 1918 > Sonntag, der 11. Januar 1920
Sonntag, der 11. Januar 1920
Mit dem Inkrafttreten des Friedens wird endlich auch die Ostseeblockade für deutsche Schiffe aufgehoben. Auf der andern Seiten bedeutet die Ratifizierung auch, dass die Umsetzung der Gebietsabtretungen bzw. Abstimmungen über Abtretungen, die der Versailler Vertrag von Deutschland verlangt, beginnt. Die Regierung veröffentlicht deshalb einen Abschiedsbrief „an die Deutschen der ausscheidenden Landesteile“. Sie beschwört eine kulturelle Einheit über nationale Grenzen hinweg, wie es sie auch schon früher gegeben hat und verspricht, sich mit aller Macht dafür einzusetzen, dass die Auslandsdeutschen ihre Sprache und Kultur weiterhin pflegen können. Zuletzt äußert sie die Hoffnung, dass Unrecht der gewaltsamen Trennung nicht von Dauer sei und auch den Deutschen eines Tages das nationale Grundrecht der Selbstbestimmung zugesprochen werde.
Ein weiterer Appell geht an die streikenden Eisenbahner. Die Tarifverhandlungen seien auf gutem Wege, in mehreren Bezirken seien die Stundenlöhne bereits erhöht worden. Weitere Streiks würden einerseits den Heimtransport der Kriegsgefangenen aus Frankreich verzögern, andererseits dazu führen, dass Deutschland gegen den Friedensvertrag verstoße. „Die Besatzungstruppen der Entente sind in die Abstimmungsgebiete zu transportieren; Kohlen, Maschinen, Heeresgerät, Milchkühe und vieles andere sind abzulifern, alles in bestimmten, knapp bemessenen Fristen. Bleiben wir mit unseren Vertragsverpflichtungen im Rückstand, so drohen uns neue Repressalien und Belastungen.“
Gleichzeitig wird über die Regierungsbezirke Düsseldorf, Arnsberg, Münster und Minden den Ausnahmezustand. Die bürgerlichen Rechte werden eingeschränkt und die Exekutive geht auf einen vom Reichswehrminister eingesetzten Militärbefehlshaber über, der sogleich alle Maßnahmen verbietet, die zur Stillegung lebenswichtiger Betriebe führen.