Christa Pöppelmann > November 1918 > Donnerstag, der 18. März 1920
Donnerstag, der 18. März 1920
In Berlin ist der Putsch vorüber. Thedor Wolff spricht von einem Siegestag des Volkes. „Die Truppen, die sich in den Dienst der reaktionären Verschwörung gestellt, an der Überrumpelung Berlins teilgenommen hatten, zogen ab. Eine Gruppe ehrgeiziger, auf Volk, Recht und Freiheit dreist herabnäseldner Gewaltmenschen hat durch einen Handstreich die Macht an sich zu reißen versucht. Sie hat von hinten den Dolchstoß gegen die Heimat geführt. … Sie logen mit unverschämter Dreistigkeit. Sie logen von früh bis spät, bei Tage und in der Nacht. Jedes Wort, das sie veröffentlichten, jede Nachricht, die sie verbreiten ließen, kam aus einer Schwindefabrik. Es war noch dieselbe Fabrik des Oberst Bauer und seiner Freunde, die während des Krieges nur Siege gemeldet und dem Publikum erzählt hatte, dass die Reservearmeen Fochs zertrümmert seien. Die stärkste aller Lügen besagte, die Engländer hätten den Putsch begönnert und betrachteten ihn mit Sympathie.“
In Stuttgart tagt die Nationalversammlung und Präsident Konstantin Fehrenbach dankt den loyal gebliebenen Truppen und Beamten und dem Volk. Reichskanzler Bauer ruft zu gemeinsamen Anstrengungen für die Demokratie auf.
Der Generalstreik jedoch geht weiter. Die Gewerkschaften beschließen den Aussstand fortzuführen, bis ihnen eine Mitsprache an der „Neuordnung der Verhältnisse“ gewährt wird. Es geht um großflächige „Säuberungen“ in Verwaltung und Militär, aber auch um die Enteignung von Grundbesitzern, die Sozialisierung der dafür reifen Industrien und den Ausbau von Arbeiternehmerrechten. Gewerkschaftsführer Carl Legien bringt im Gespräch mit Kanzler Bauer auch eine reine Arbeiterregierung ins Spiel.
Außerdem fordern die Gewerkschaften, aber auch Teile der SPD und der Beamtenschaft den Rücktritt des preußischen Innenministers Wolfgang Heine und von Reichswehrminister Noske. Es gehe nicht gegen Noske persönlich, erklärt Otto Wels vor dem Parteiausschuss, aber man habe „ein brennendes Interesse daran … endlich die Verantwortung loszuwerden für jeden militärischen Übergriff, der … immer der Partei zur Last gelegt wird.“ Außerdem könne ein Kriegsminister, der vor den eigenen Truppen davongelaufen sei, nicht gut weiterbestehen. Ebert allerdings möchte den alten Kampfgenossen halten. Auch sieht er die Forderung der Gewerkschaften nach einem Ministerrücktritt als unzulässige Einmischung in Regierungsangelegenheiten an. Er droht sogar mit seinem eigenen Rücktritt.
In Kiel hat Konteradmiral Magnus von Levetzow, der Chef der Marinestation, den Putsch unterstützt und erhält nun seine Absetzung. Anstatt sich zu fügen, verstärkt er er die Truppen, die das Gewerkschaftshaus und das Polizeipräsidium kontrollieren durch Einheiten des Freikorps Loewenfeld. Es kommt zu Zusammenstößen mit den Arbeitern. Als die den Soldaten die Waffen entreißen wollen, schießen die in die Menge, ziehen dann aber ab. Levetzow jedoch schickt alle verfügbaren Truppen, sogar Studenten eines Zivilfreiwilligenregiments, mit schwerem Gerät zum Gewerkschaftshaus. Es kommt zu Kämpfen gegen Sicherheitspolizei und Arbeitermilizen, die 76 Tote – 29 Putschisten, 47 auf der Gegenseite – und viele Verwundete zur Folge haben, bevor die Putschisten sich am nächsten Tag zurückziehen.
In Gotha greifen die Arbeitermilizen die putschenden Soldaten, die sich in der Innenstadt und den Kasernen verschanzt haben. In den Kämpfen kommen 110 Menschen um. Am 19. März fliehen die Truppen nach Erfurt.
In Eisenach wird ein Soldat der örtlichen Garnison von aufständischen Arbeitern entwaffnet. Der Garnisonschef schickt daraufhin einen Vergeltungstrupp los. Als die die Schuldigen festnehmen wollen, kommt es zu Tumulten, bei denen fünf Bürger von den Soldaten erschossen werden.