Donnerstag, der 20. November 1919

Am Morgen verlässt Paul von Hindenburg Berlin. Wieder gibt es „großen Bahnhof“ mit Ehrenkompagnie, Ovationen und Deutschlandlied.

Theodor Wolff dagegen zerpflückt im Berliner Tageblatt die zahlreichen Widersprüche in den Aussagen von Hindenburg und Ludendorff. So argumentierten sie einmal mit existenzieller militärischer Ausweglosigkeit, die die Entscheidung zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg notwendig gemacht habe, erklärten dann aber, im Folgenden sei das siegreiche Heer durch mangelnden Rückhalt in der Heimat zersetzt worden. Auch habe Ludendorff in der Vergangenheit schon zahlreiche andere zu Sündenböcken zu machen versucht wie jetzt den Grafen Bernstorff.

Die Deutsche Tageszeitung aber feiert das Auftreten von Hindenburg und Ludendorff und erklärt, dass „alle Legenden und Lügen, mit denen seit Jahren skrupellos gegen die beiden großen Soldaten und Patrioten gearbeitet wurde, restlos zerstört“ worden seien. Der Untersuchungsausschuss habe eine vernichtende Niederlage erlebt.

 

Vor dem Berliner Landgericht beginnt ein Prozess gegen den veranwortlichen Schriftleiter der rechten Deutschen Zeitung, der Minister Erzberger als notorischen Lügner dargestellt hatte und von diesem wegen Beleidigung angezeigt wurde. Bulck lässt erklären, dass er einen Irrtum begangen habe, als er eine falsche Erklärung eines Sprechers des Auswärtigen Amtes Erzberger angehängt habe. Aber seine Aussage, dass dieser ein gewohnheitsmäßiger Lügner sei, nehme er nicht zurück, sondern werde beweisen, dass Erzberger in mindestens sechs Fällen die Unwahrheit gesagt habe. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Angriff auf Erzberger aus einem warmen patriotischen Empfinden heraus geschehen sei. Er sei der Ansicht, dass sich das deutsche Volk in äußerster Todesnot befände und es mit einem inneren Feind zu tun habe, der schlimmer als alle ehemaligen äußeren Feinde sei. Dies müsse bei der Abmessung der Strafe berücksichtigt werden. Das Gericht entscheidet, die Zeugen, die beweisen sollen, dass Erzberger in der Vergangenheit gelogen habe, vorzuladen.

Der Reichsausschuss der deutschen Landwirtschaft verlangt eine Beseitigung der Zwangswirtschaft. Nur Brotgetreide und Milch sollen noch über Lebensmittelkarten verteilt werden. Doch auch an anderen Produkten herrscht eklatanter Mangel. Vor allem die Zuckerrübenernte verspricht extrem schlecht zu werden und wird wohl nur bei 30 Prozent der Vorkriegsmenge liegen. Zu einer extrem ungünstigen Witterung und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Landwirte, kommt der Wegfall der polnischen Erntehelfer. Deutsche Landarbeiter oder gar Arbeitslose aber sind für die Plackerei der Rübenernte im meist nasskalten Spätherbst nicht zu bekommen oder zumindest weniger leistungsfähig.

 

Und in den USA lehnt der Senat eine Ratifizierung des Versailler Friedensvertrages ab. Die Frage, ob der Krieg mit Deutschland trotzdem für beendet erklärt werden soll, wird in den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten verwiesen.

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