Donnerstag, der 5. Februar 1920

Die Auslieferungsliste beschäftigt weiter die Gemüter in Deutschland. Weiter überbietet man sich allgemein an Empörung und ist nahezu geschlossen gegen die Auslieferung. Eine Erklärung der USPD-Abgeordneten in der Berliner Stadtverordnetenversammlung für die Auslieferung sorgt für heftige Empörung bei allen anderen Fraktionen.

Außerdem wird die Liste als widersinnig empfunden. „Warum der Großherzog von Hessen auf die Liste gesetzt worden ist, ist ein besonderes Geheimnis“, meint das Berliner Tageblatt. „Er hat den Kriegsschauplatz nur ein paarmal als Gast besucht.“ Auch der bayerische SPD-Vorsitzende Erhard Auer ist aufgeführt, obwohl er nur einfacher Soldat war. Er erklärt, wenn er wieder genesen sei – er leidet noch immer an den Folgen des Attentats vom 19. Februar 1919 – werde er sich dem Gesuch im Bewusstsein seiner Unschuld, aber auch um der Regierung keine Schwierigkeiten zu bereiten, freiwillig fügen.

Dabei ist die Liste offiziell noch gar nicht übergeben und die veröffentlichten Namen (ohne Vorname und genaue Funktion) oft nicht eindeutig.

Welche Folgen aber wird eine Verweigerung der Auslieferung haben, die immerhin Teil des Versailler Vertragswerkes ist? Gerüchtehalber sollen Engländer und Italiener geneigt sein, auch einen Prozess gegen die Genannten in Deutschlands zu akzeptieren, während in Frankreich über Strafmaßnahmen wie einen Stopp bei der Freilassung der Kriegsgefangenen, eine erneute Blockade Deutschlands oder die Besetzung weiterer deutscher Gebiete diskutiert wird.

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