Christa Pöppelmann > November 1918 > Freitag, der 17. Januar 1919
Freitag, der 17. Januar 1919
Auf Anordnung der Regierung beginnt die „strengste Untersuchung“ zum Tod von Luxemburg und Liebknecht. Doch die Tücke liegt im Detail. Denn noch immer gilt in Deutschland das alte Militärrecht, das besagt, dass ein Soldat, der eines Verbrechens bezichtigt wird, vor dem Militärgericht abgeurteilt werden muss. In diesem Fall das der Garde-Kavallerie-Schützen-Division. Die Leitung hat Kriegsgerichtsrat Paul Jorns, der später einmal am NS-Volksgerichtshof landen wird. Den ursprünglich vorgesehenen Kriegsgerichtsrat Kurtzig, dem Hugo Haase bescheinigte, objektiv zu sein, hat der Kommandant der Division, Heinrich von Hoffmann, über Nacht austauschen lassen. Auf Drängen der Regierung nehmen je zwei Mitglieder des Zentralrates und des Groß-Berliner Vollzugsrates an dem Verfahren teil. Doch drei der vier werden am 13. Februar 1919 zurücktreten, weil Jorns ihnen keinerlei Teilhabe zugesteht. Angeklagt werden auch nur Otto Runge, Kurt Vogel und Horst von Pflugk-Harttung. Waldemar Pabst wird nicht belangt. Er darf als Vorgesetzter sogar die charakterlichen Gutachten für die Angeklagten schreiben.
Die Berliner Arbeiterräte billigen in einer Resolution die von der Regierung getroffenen Maßnahmen, zur Widerherstellung der Ordnung, protestieren aber gegen die dabei verübten Willkürakte. Sie fordern vom Zentralrat energische Schritte, dass solche Übergriffe unmöglich gemacht werden, und die strengste Bestrafung der Schuldigen. Außerdem müsse die Regierung zu jeder Stunde dafür sorgen, dass die Militärgewalt der Zivilgewalt untergeordnet bleibt. Außerdem wird gefordert, sämtliche mit der Verhaftung und Bewachung von Liebknecht und Luxemburg betraute Personen ihres Amtes zu entheben und einem Richter vorzuführen.
Der Soldatenrat beginnt seine Versammlung mit der Ehrung von Liebknecht und Luxemburg, die, wie immer man auch politisch zu ihnen stehen möge, Vorkämpfer der Arbeiterschaft und des Sozialismus gewesen seien. Danach hat man eigentlich Gustav Noske zur Aussprache geladen, aber der lässt sich wegen Fiebers entschuldigen. Statt seiner bittet der Kurzzeit-Stadtkommandant Anton Fischer, um Vertrauen in die Maßnahmen der Regierung. Auch Brutus Molkenbuhr meint, zu Noske könne man wohl Vertrauen haben, aber nicht zu den untergeordneten Offizieren und Soldaten. Das möchten die anderen so nicht stehen lassen. Sie argumentieren, Noske müsse die Verantwortung für die Truppen, die unter seinem Oberbefehl stehen, übernehmen. Hätte er die Vertreter der Arbeiter herangezogen, um Ruhe und Ordnung zu schaffen, wären nie derartig schlimme Dinge eingetreten. Für den Schutz Berlins gebe es schließlich die Republikanische Soldatenwehr mit etwa 15.000 Mann. Die fremden Truppen dagegen würden ständig ihre Befugnisse überschreiten. Aber versuchen, ihn zur Rede zu stellen, sei Noske immer ausgewichen. Offiziell heiße es, Freikorps wie die Brigade Reinhard oder die sogenannte Eiserne Marine-Division von Emmo von Roden seien für den Schutz der Ostgrenze gebildet worden, doch spreche man mit den Soldaten, dann sagten die, sie seien für Berlin angeworben worden. Außerdem sei mysteriös, wer diese völlig reaktionären Truppen eigentlich finanziere.
Der Lehrer Wilhelm Flügel von der demokratischen Fraktion erklärt: „Ich fühlte mich in die Landsknechtzeit zurückversetzt, wo jeder Regimentskommandeur seine Truppen zusammenstellte, um mit seinen Truppen Krig zu führen.“ Unübersichtliche Wehren, oft mit schwarz-weiß-roten Armbinden, würden wie Pilze aus dem Boden schießen.