Freitag, der 25. Oktober 1918

Kaiser Wilhelm befindet sich angesichts der neuesten Note aus Amerika, die recht unverblümt die Beseitigung „monarchischer Autokraten“ fordert, mal wieder auf Kriegskurs und erklärt, wenn die Regierung den Forderungen Wilsons nachgeben wolle, „muss sie weg … Der Kanzler ist den Verhältnissen nicht gewachsen, das Auswärtige Amt hat die Hosen bereits wieder gestrichen voll.“ Mit ähnlicher Wortwahl hat er vor dem Krieg gerne Regierungen gestürzt und Beschlüsse des Parlaments abgetan.

 

Im Parlament dagegen ist das Hindenburg-Telegramm Thema: Oskar Cohn von der USPD fordert, die Regierung könne es sich nicht gefallen lassen, “ dass hinter ihrem Rücken in Pressekonferenzen eine Politik getrieben wird, die ihrer Politik zuwiderläuft.“ Er erinnert daran, dass es Wilhelm II., nicht die Kriegsgegner waren, der den deutschen Soldaten ursprünglich den Namen „Hunnen“ verpasst hatte, und daran, dass hohe Militärs wie Hindenburg und Falkenhayn schon nach der Schlacht an der Marne die Überzeugung hatten, dass der Krieg für Deutschland verloren sei. „Aber der Militarismus gesteht einen begangenen Fehler niemals ein. So hat Hindenburg dagegen protestiert, dass Waffenstillstandsangebot veranlasst zu haben, weil für den Bestand der Front nicht mehr garantiert werden könne. Man bepackte den Reichskanzler mit dieser Aufgabe, die sonst Sache der Heerführer ist.“ Nun aber gebe es kein Ausweichen mehr vor der Frage: „“Krieg mit den Hohenzollern oder Friede ohne die die Hohenzollern. … Nicht nur der jetzige Träger der Krone, sondern die gesamte Dynastie muss das Feld räumen.“

 

Am Thron sägt die Regierung noch nicht, doch dass sie sich die Quertreibereien der OHL nicht mehr gefallen lassen kann, ist ihr klar. Und sie hat den auf Betreiben Max von Badens eingesetzten Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts, Clemens von Delbrück (das Berliner Tageblatt nannte ihn einmal eine „ausgesprochene Kompromissnatur“ mit dem „ganz besonderen Vertrauen des Kaisers“)  auf ihrer Seite. Als Ludendorff und Hindenburg am Nachmittag in Schloss Bellevue eintreffen, das der OHL als Besprechungsort in Berlin dient, entspinnt sich eine kontroverse Debatte, der Wilhelm II. irgendwann müde wird. Er spricht Ludendorff sein vollstes Vertrauen aus, verweist die OHL-Spitzen mit ihrem Anliegen aber an den Kanzler als verantwortlichen Leiter der Politik. Da Max von Baden immer noch krank ist, kommt es am Abend zu einem Treffen von Ludendorff und Hindenburg, sowie Scheer und Levetzow von der Seekriegsleitung mit Vizekanzler Payer und Kriegsminister Schëuch. Das Ganze gerät erwartungsgemäß zu einem wütenden Austausch von Standpunkten ohne Verständigung. Payer informiert noch in der Nacht Max von Baden und der schickt umgehend Clemens von Delbrück mit einem Brief zum Kaiser, in dem er seinen Rücktritt androht, wenn Ludendorff nicht entlassen wird. Delbrück selber bearbeitet den Monarchen dann mit dem Argument, dass US-Präsident Wilson in Wahrheit nicht ihn, den Kaiser, sondern Ludendorff als entscheidendes Hindernis zum Frieden sehe. Eine Entlassung des Generals bedeute die Sicherung der Monarchie. Er verweist auch auf Ludendorffs Illoyalität, der ohne Wilhelm als obersten Kriegsherren zu konsultieren, die Armee zum „Kampf bis zum Äußersten“ aufgefordert habe. Das Ganze wirkt. Wilhelm II. erinnert sich, dass er Ludendorff und seine anmaßende Art eigentlich noch nie gemocht hat. „Der Mann muss gehen, der bringt mich noch um meine Krone,“ erklärt er.

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