Freitag, der 27. Dezember 1918

Ein Besuch des in den USA lebenden Pianisten Ignacy Jan Paderewski, der maßgeblich dafür gesorgt hatte, dass Präsident Wilson die Wiedererrichtung eines polnischen Staates in seine 14 Punkte aufnahm, sorgt in Posen für nationale Aufwallungen. Während sich im November noch ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet hatte, der paritätisch mit Deutschen und Polen besetzt war, war Anfang Dezember ein Teilsejm entstanden, der verlangt, dass die preußische Provinz Posen, deren Einwohnerschaft zu zwei Dritteln polnisch ist, auch an Polen fallen soll. Nun demonstrieren sowohl Deutsche wie Polen für ihre Ansicht. Am Abend fallen erste Schüsse. In den deutschen Zeitungen wird wieder über schwere Ausschreitungen gegen Deutsche und Juden berichtet. Am nächsten Tag können die aufständischen Polen die Kontrolle über die Stadt übernehmen, bis Mitte Januar dann auch über weite Teile der Provinz. Ihnen stellen sich deutsche Freikorps entgegen, die bereits seit dem 17. Dezember 1918 durch Oberstleutnant Friedrich Wilhelm von Willisen, den Leiter des „Grenzschutz Ost“ bei der OHL koordiniert werden. Mitte Februar 1919 werden die Alliierten Deutschland dann im Rahmen der abermaligen Verlängerung des Waffenstillstands dazu bringen, einem „Einfrieren“ des Konflikts zuzustimmen. Vier Monate später wird dann im Friedensvertrag von Versailles nicht nur der bereits polnisch besetzte, sondern ein noch größerer Teil Posens Polen zugesprochen. Von polnischer Seite wird der Vertrag von Paderewski unterzeichnet, der inzwischen Ministerpräsident und Außenminister ist.

 

In Lettland bietet die bürgerliche Regierung allen deutschen Freiwilligen, die den Kampf gegen die Rote Armee und die Lettische Räterepublik unterstützen, das lettische Bürgerrecht an. Auch der Reichsgesandte für das Baltikum, der SPD-Politiker und Gewerkschafter August Winnig, wirbt bei den Truppenteilen, die sich noch in Estland und Lettland befinden, Freiwillige für den Kampf gegen die Rote Armee an. Trotzdem wird die bürgerliche lettische Regierung bis Januar auf das Gebiet um Libau zurückgedrängt werden. Und viele der deutschbaltischen Verbände, die für sie kämpfen, tun das nicht für die lettische Unabhängigkeit, sondern für ihre alten Landrechte, die die lettische Regierung jedoch nicht anerkennen will.

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