Mittwoch, der 15. Januar 1919

Fritz Henck, der Schwiegersohn von Philipp Scheidemann, versichert öffentlich, dass die Anführer des Aufstandes nicht ungeschoren davonkommen würden. Die Anführer werden weitgehend mit den Führern des Spartakusbundes gleichgesetzt, obwohl das nicht zutrifft, vor allem was Rosa Luxemburg angeht.

Trotz aller Bedrohung – und obwohl ihre Freunde sie gebeten haben, sich in Sicherheit zu bringen – sind Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht noch immer in Berlin und rufen in der Roten Fahne, die Revolution nicht verloren zu geben. Am Dienstag, den 14. Januar, erscheint ein Artikel von Rosa Luxemburg, indem sie darlegt, dass der Sieg der Revolution Naturgesetz, der Weg dahin aber ein äußerst schwieriger ist. Am Mittwoch, den 15. Januar, folgt ein extrem pathetischer Aufruf von Karl Liebknecht.

Doch am Abend dringen Angehöriger der Wilmersdorfer Bürgerwehr in der Mannheimer Straße in die Wohnung ihres Freundes Dr. Siegfried Markussohn ein, eines Wilmersdorfer Arbeiterrates, wo sie sich versteckt halten. Sie werden erst in eine benachbarte Grundschule, dann in das Hauptquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, das Eden-Hotel gegenüber dem Zoo-Aquarium, gebracht. Wahrscheinlich ist ihnen die von Noske befohlene Telefon-Überwachung zum Verhängnis geworden.

 

Pabst hat innerhalb der Division eine verdeckte Sondereinheit aus Männern geschaffen, deren erklärtes Ziel es war, die Republik wieder zu zerstören. Eine besondere Rolle spielen dabei die Brüder Horst und Heinz von Pflugk-Harttung. Die beiden sind Söhne eines rechtsnationalen Historikers. Heinz hatte es nach mehreren schweren Verwundungen (inkl. Kopfschuss) zum Adjutanten von Pabst gebracht, Horst verlebte den Krieg als frustrierter, zur Untätigkeit verdammter Marineoffizier. Bereits bevor, er in Kontakt mit Pabst kam, hat er begonnen, Kameraden von der Marine um sich zu scharen, die ebenfalls gewillt sind, ihre angestaute Wut gegen die Republik, aber auch deren linke Feinde zu richten.

 

Nachdem die Gefangenen – außer Liebknecht und Luxemburg gehört noch deren Schüler Wilhelm Pieck, der spätere DDR-Präsident dazu – übergeben worden sind, bestellt Pabst die Pflugk-Harttung-Brüder mitsamt ihrer Schar ins Hotel. Liebknecht und Luxemburg werden stundenlang verhört und misshandelt. Pieck erzählt später, Pabst habe in dieser Zeit auch mit der Reichskanzlei telefoniert. Pabst behauptet nach dem Zweiten Weltkrieg, er habe einen Erschießungsbefehl gefordert, worauf Noske ihn angeweisen hätte, diesen bei General von Lüttwitz, den Oberbefehlshaber der Vorläufigen Reichswehr in Berlin, einzuholen. Auf seine Erwiderung, die werde er nie bekommen, habe Noske geantwortet, dann müsse er selber verantworten, was zu tun sei.

 

Nacheinander werden Luxemburg und Liebknecht aus dem Hotel geschafft und in Autos verfrachtet. Offiziell sollen sie ins Gefängnis Moabit überstellt, tatsächlich aber unterwegs ermordet werden.

Was Pabst nicht weiß: Einer seiner Offiziere, Petri mit Namen, hatte gegenüber den Kameraden geprahlt, Liebknecht und Luxemburg nicht davon kommen zu lassen. Er besticht einen Soldaten namens Otto Runge. Als Liebknecht durch das Hotelfoyer gezerrt wird, schlägt er diesen mit dem Gewehrkolben halb bewusstlos.

Der blutende, benommene Gefangene wird auf die Pritsche eines Kleinlasters geworfen, dabei noch einmal geschlagen und in den Tiergarten gefahren. Am neuen See wird er zum Aussteigen gezwungen und von hinten erschossen. Oberst Kurt Vogel liefert die Leiche dann als „unbekannten Toten“ auf einer Berliner Polizeistation ab. Er gilt lange Zeit als der eigentliche Mörder, doch vermutlich wurde Liebknecht von Horst Pflugk-Harttung persönlich erschossen, jedenfalls soll er das am 16. Januar seinem Marine-Kameraden Ernst von Weizsäcker gestanden haben.

Liebknecht stirbt gegen 23 Uhr. Rosa Luxemburg wird kurz vor Mitternacht aus dem Hotel gebracht. Es ist ein Spießrutenlaufen und wieder schlägt Wachmann Runge zu. Als Luxemburg schon bewusstlos am Boden liegt, zieht er ihr seinen Gewehrkolben noch ein zweites Mal über. Andere Soldaten dreschen ebenfalls auf ihren Körper ein. Sie wird dann auf den Rücksitz eines wartenden Automobils gepackt. Nachdem es schon angefahren ist, springt der Marineleutnant Hermann Souchon (ein Neffe des einstigen Kommandeurs von Kiel) auf das Trittbett und schießt ihr mit aufgesetztem Revoler eine Kugel in den Kopf. An der Herkulesbrücke halten die Soldaten an und werfen die Leiche in den Landwehrkanal.

Durch die Attacken Runges, die auch Hotelgäste und unbeteiligte Soldaten mitbekommen haben, hat die Lynchaktion unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Pabst verfasst ncoh in der Nacht einen offiziellen Bericht, in dem er erklärt, Liebknecht sei auf der Flucht von Unbekannten erschossen worden. Luxemburg aber sei vor dem Hotel von einer aufgebrachten Menschenmenge attackiert worden. Man habe sie zwar in ein Auto schaffen können, doch dann sei ein Unbekannter aufs Trittbrett gesprungen und habe auf sie geschossen. Danach habe sich die erregte Menschenmenge des Autos bemächtigt und Luxemburgs Körper herausgerissen. Was dann damit geschehen sei, wisse man nicht. Dieser Bericht wird auch an die Presse gegeben.

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.