Mittwoch, der 24. Dezember 1919

Weiße Weihnachten gibt es nur in den Bergen. Auf dem Brocken liegen 90 Zentimeter Schnee, dazu herrschen Minustemperaturen. Im niedrigeren Lagen dagegen wechseln sich bei eher milden Temperaturen heftige Regenschauer und Winde mit freundlicheren Perioden ab.

 

Die Regierung sendet einen besonderen Gruss an die immer noch zahlreichen deutschen Kriegsgefangenen und verspricht alles in ihrer Macht stehende für deren Heimholung zu tun. Dabei haben diese Bemühungen gerade wieder einen Dämpfer erlitten. Nachdem es der deutschen Regierung gelungen war, auf japanischen Schiffen Kapazitäten für den Rücktransport von Gefangenen im noch nicht sowjetisch kontrollierten Sibirien zu organisieren, untersagte der Oberste Rat der Alliierten den Rücktransport deutscher Gefangener, bevor nicht alle tschechoslowakischen Gefangenen aus Sibirien evakuiert sind. Stattdessen werden „Liebesgaben“ für die Gefangenen wie warme Kleidung und Medikamente nach Wladiwostok gebracht.

Auch das Internationale Rote Kreuz fordert dringend die Heimholung der rund 200.000 sibirischen Gefangenen – von denen die meisten aus dem ehemaligen k.u.k-Reich stammen. „Die schlechte Unterkunft und Verpflegung, welche sie erhalten, lässt die Leute um 30 Jahre altern. Sie fallen vielfach der Neurasthenie, der Hysterie und dem Wahnsinn anheim. Ansteckende Krankheiten haben furchtbar unter ihnen gewütet. Im Lager von Troizk sind von 16.000 Gefangenen mehr als 12.000 dem Typhus zum Opfer gefallen.“

 

In Deutschland werden in Lazaretten, Krankenhäusern, Waisenhäusern, Wärmehallen und Obdachlosenasylen zahllose Weihnachtsfeiern mit Bescherung für Bedürftige ausgerichtet. Teilweise kommen die Spenden auch aus dem Ausland. So berichtet das Berliner Tageblatt „Deutschamerikaner haben dem Berliner Vormundschaftsamt es seit seinem siebenjährigen Bestehen zum erstenmal ermöglicht, einem großen Teil seiner 16 000 Kinder umfassenden Mündelschar eine reiche Weihnachtsbescherung zu gewähren.“ In den 800 Berliner Gemeindeschulen wurden pro Klasse die zehn bedürftigsten Kinder, meist Kriegswaisen oder Kinder von Gefangenen, ausgewählt und beschenkt.

Doch nicht alles ist Harmonie. Die Zeitungen berichten nach den Feiertagen von zahlreichen Einbrüchen in Kirchen und Geschäfte, sowie von mehreren Selbstmorden.

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