Christa Pöppelmann > November 1918 > Mittwoch, der 8. Oktober 1919
Mittwoch, der 8. Oktober 1919
Als sich der USPD-Vorsitzende Hugo Haase mittags gegen ein Uhr mit seiner Frau zum Reichstag begibt, wo die Generalaussprache weitergehen wird, wird plötzlich das Feuer auf ihn eröffnet. Mehrere Kugeln treffen ihn am Arm und im Unterleib. Der Täter ist ein arbeitsloser österreichischer Sattler namens Johan Voß. Er ist bereits polizeibekannt, weil er glaubt, einem groß angelegtem Betrug bei der Klassenlotterie auf die Spur gekommen zu sein und immer wieder wirre Eingaben voller beleidigender Unterstellungen an die Adressaten machte, sollten diese sich nicht um sein Anliegen kümmern. Auch Haase versuchte er mehrmals zu kontaktieren und für sein Anliegen zu gewinnen. Als der ihn abwimmelte, war Voß zu der Überzeugung gekommen, dass auch Haase mit im Komplott sein müsse. Der Abgeordnete wird ins Hedwigskrankenhaus gebracht, doch seine Verletzungen erscheinen anfangs als nicht allzu bedrohlich.
Im Reichstag stellen Finanzminister Erzberger und Justizminister Eugen Schiffer ihr politisches Programm vor. Der USPD-Abgeordnete Oskar Cohn – er spricht anstelle Haases – erteilt Scheidemanns „Sirenenwerben“ vom Vortag eine Absage. Gustav Noske zieht leidenschaftlich über die rechten Kräfte her, die Deutschland erst ins Unglück geführt hätten und nun versuchten, das mühsam gewonnene Vertrauen zwischen ihm und den Soldaten zu unterminieren. Dabei verliert er sich ziemlich im Klein-Klein und auch die Linken bekommen ihr Fett weg, da sie nach Noskes Meinung vornehmlich damit beschäftigt sind, die Regierung schlecht zu machen.
Der spätere Kanzler Gustav Stresemann erklärt, es gäbe nur die Karikatur eines parlamentarischen Systems. Er sei weiterhin der Anhänger ein konstitutionellen Monarchie. Das sei sein gutes Recht, das er sich nicht streitig machen lassen. Allerdings lehnten er und seine Freunde einen Putsch ganz entschieden ab und würden die Regierung bei allen vernünftigen Maßnahmen für den Wiederaufbau Deutschlands unterstützen.