Montag, der 3. März 1919

Auch in Berlin gärt es weiter. Auf einer erneuten Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte erscheinen Delegierte verschiedener Großbetriebe und erklären, dass sie einen Streik begonnen hätten. Daraufhin beschließen die Räte mit 400 zu 120 Stimmen bei gut 200 Enthaltungen für den nächsten Tag den Generalstreik.

Die Streikenden fordern die Anerkennung der Arbeiter- und Soldatenräte, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Auflösung der Freikorps, die Bildung einer Arbeiterwehr, die restlose Durchführung der Hamburger Punkte, die Aufhebung der Standgerichte, die Umwandlung der bestehenden Gerichte in Volksgerichte, die Aburteilung der Hauptschuldigen am Ersten Weltkrieg vor einem Revolutionstribunal und die Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen zur Sowjetunion. Auch viele SPD-Räte schließen sich den Forderungen an.

 

Bei anderen Teilen der SPD und im Bürgertum dagegen löst die Vorstellung eines langen Generalstreiks in der wichtigen Industriemetropole Berlin angesichts der prekären wirtschaftlichen Gesamtsituation schlicht Panik aus. Reihenweise prophezeien Zeitungskommentare und Kolummnen die Zerstörung der deutschen Wirtschaft und die Schrecknisse des russischen Bürgerkriegs. Sogar das Berliner Tageblatt meint, gäbe die Regierung in dieser Situation der Forderung, die Freikorps aufzulösen nach, ann würde ganz Deutschland an die Spartakisten ausgeliefert.

 

Noch am Abend verhängt die preußische Regierung den Belagerungszustand über die Stadt. Damit sind Pressefreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht, Unverletzlichkeit der Wohnung und andere Grundrechte wie im Kriegsrecht aufgehoben. Alle Gewalt geht auf Reichswehrminister Noske als „Oberbefehlshaber der Marken“ über. Trotzdem kommt es vor allem im Scheunenviertel und rund um den Alexanderplatz zu Protestversammlungen und Zusammenstößen mit der Polizei, aber auch zur Plünderung von Geschäften und der Erstürmung von über 30 Polizeirevieren, wobei zahlreiche Waffen erbeutet und fünf Polizeibeamte getötet werden. Die Arbeiterräte erklären, diese Aktionen gingen nicht von den Streikenden aus. Wahlweise werden „lichtscheues Gesindel“, aber auch das Militär beschuldigt, dass die Überfälle inszeniert habe. Während die Räte der SPD und USPD zu friedlichen Demonstrationen aufrufen, fordert die Rote Fahne mal wieder den Kampf gegen die Nationalversammlung und ihre Repräsentanten.

 

Der Historiker Gustav Mayer notiert in seinem Tagebuch, Deutschland werde kaum „ohne großes Massensterben die Frühlingsmonate überleben.“

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