Samstag, der 12. Oktober 1918

In einer von Außenamtschef Wilhelm Solf unterzeichneten Note erklärt die deutsche Regierung, dass sie Wilsons Friedensbedingungen annehme, aufgrund der geänderten Verfassung im Namen des deutschen Volkes spreche und auch zur Räumung der besetzten Gebiete bereit sei. Wilson solle eine gemischte Kommission zusammenstellen, die dann die zur Räumung nötigen Vereinbarungen zwischen den Kriegsparteien treffen werde. Außerdem gehe man davon aus, dass auch die Verbündeten der USA „sich auf den Boden der Kundgebungen des Präsidenten Wilson stellen.“ Eine Antwort, die „von allen Staatsekretären, von der Obersten Heeresleitung, vom preußischen Staatsministerium und vom Bundesratsauschuss für auswärtige Angelegenheiten einstimmig gebilligt worden sei“, wie das Berliner Tageblatt ausdrücklich betont. Die rechte Presse spricht trotzdem von Unterwerfung, Schande und Demütigung des deutschen Volkes.

 

Im Ausland wird die deutsche Antwort teils sehr positiv aufgenommen. Andere Teile der englischen und französischen Presse warnen aber immer noch vor einem deutschen Bluff oder verweisen auf deutsche Verbrechen, die nach Abfassung der 14 Punkte begangen worden seien.

 

Im Reichstag erklärt sich Max von Baden zum Inhalt seines gestohlenen Briefes. Er gibt zu, dass er das demokratische Programm, das er jetzt vertrete, nicht von Anfang des Krieges an gehabt habe. Außerdem sei der Brief eine Antwort auf einen Versuch seines Freundes Alexander von Hohenlohe ihn für radikal pazifistische Positionen vereinnahmen zu wollen gewesen. Der Prinz bietet seinen Rücktritt an, falls dieser von der Mehrheit der Abgeordneten gewünscht werde.

Theodor Wolff hält in seinem Tagebuch fest, dass in den politischen Clubs heftig darüber diskutiert werde, ob Max von Baden im Amt bleiben könne. Gerade diejenigen, die eben noch gegen den Parlamentarismus gewesen seien, spielten nun die „ganz Reinen“ und meinten, der Prinz müsse gehen. Er selber nennt den Inhalt des Briefes zwar scheußlich, findet es aber grundfalsch, in der derzeitigen Situation eine Krise daraus zu machen.

Genauso sehen das auch die Regierungsparteien. Als letzte der Fraktionen beschließen die Sozialdemokraten am 15. Oktober „mit Rücksicht auf die Gesamtlage“ nichts gegen das Verbleiben des Prinzen in Amt einwenden zu wollen.

 

Tatsächlich agiert Max von Baden während seiner kurzen Kanzlerschaft ganz im Sinne der Demokratie. Allerdings wird er dabei auch von erfahrenen Kräften, vor allem liberalen Abgeordneten aus dem Südwesten, gecoacht. So haben etwa Vizekanzler Payer und Außenamtsleiter Solf den Entwurf für seine Antrittsrede im Reichstag kassiert und ihm jenes Manuskript aufgenötigt, dass dann mit so viel Beifall aufgenommen wurde. Weitere enge Vertraute sind Conrad Haußmann und Kurt Hahn, ehemaliger Beamter im Auswärtigen Amt und nun sowohl Freund wie Privatsekretär des Prinzen.

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