Christa Pöppelmann > November 1918 > Samstag, der 21. Dezember 1918
Samstag, der 21. Dezember 1918
Der Münchner Schriftsteller Ernst Toller dagegen, der als Delegierter am Rätekongress teilgenommen hat, fährt tief enttäuscht nach München zurück. Er meint, die Republik habe sich ihr Todesurteil gesprochen. Die Räte hätten freiwillig auf die Macht, „das unverhoffte Geschenk der Revolution“ verzichtet. „Sie überlassen das Schicksal der Republik dem Zufallsergebnis fragwürdiger Wahlen des unaufgeklärten Volks.“
Auch die Revolutionären Obleute sind extrem unzufrieden mit dem Verlauf des Rätekongresses. Ihr Instrument, der Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrats Groß-Berlin, ist nach Einrichtung des Zentralrats nun tatsächlich nur noch für Groß-Berlin zuständig und nicht mehr befugt, die Regierung zu kontrollieren. Auf einer Sitzung, die den Rätekongress „nachbearbeitet“, kommt es zu einer wüsten Schlägerei, als einer der Räte, eine Oberpostsekretär namens Höhne aus Berlin-Friedenau, der sich inzwischen zur demokratischen Fraktion bekennt, auf die Klage von Richard Müller, auf dem Kongress habe nicht die geringste revolutionäre Luft geherrscht, „Gott sei Dank“ einwirft.
Die Obleute fordern die USPD auf, den Rat der Volksbeauftragten zu verlassen. Die Spartakusgruppe dagegen will auf einem Parteitag, den weiteren Kurs der USPD debattieren. Als die Parteiführung sich weigert, einen solchen einzuberufen, beschließen die Spartakisten nun doch den Bruch mit der USPD. Bereits einen Tag später laden sie zu einer Reichskonferenz der radikalen Linken in Berlin.
Die Straße dagegen gehört Liebknecht. Der rote Soldatenbund organisiert die Beisetzung der meisten der Opfer des 6. Dezembers. Wieder geht es feierlich zu und den Särgen werden Kränez von verschiedenen Behörden, der republikanischen Soldatenwehr, der Volksmarinedivision und anderer Einheiten vorangetragen. Einer der Kränze, den die Sicherheitsmannschaften des Polizeipräsidiums tragen, trägt die Widmung „Ums wahre Recht habt Ihr gestritten, vom Hass umbrandet wie der Fels, den Freiheitstod habt Ihr erlitten, durch den bekannten Bluthund – .“ Und Liebknecht macht in seiner Rede wiederum Ebert, Scheidemann und Wels für den Tod der zu Begrabenden verantwortlich.
Während die einen Opfer noch nicht unter der Erde sind, bahnt sich schon der nächste Konflikt an. Die Volksmarinedivision hat nicht, wie gefordert, das Schloss geräumt. Allerdings habe man ihr, so Kommandant Fritz Radtke später, zu diesem Zeitpunkt auch noch kein Ausweichquartier angeboten. Trotzdem fordert die Regierung Wels auf, dafür zu sorgen, dass die Division das Schloss räumt und den Schlüssel in der Kommandantur übergibt. Erst dann soll er die fälligen Löhne in Höhe von 80.000 Mark auszahlen. Außerdem soll er klar stellen, dass ab dem 1. Januar nur noch die Löhne für 600 Mann gezahlt würden.