Samstag, der 6. Dezember 1919

Die Pariser Presse berichtet, dass der französische General Foch ein militärisches Eingreifen gefordert habe, wenn Deutschland sich weigere, die neuen Protokolle zu den Waffenstillstandsbedingungen zu unterzeichnen. Laut dem „Matin“ soll es schon eine starke Verschiebung von Artillerie im Elsass in Richtung rechtes Rheinufer geben.

 

Aber auch die Vorgeschichte des Krieges schlägt wieder Wellen. 1918 hat der revolutionäre Rat der Volksbeauftragten Karl Kautsky damit beauftragt, die Vorgeschichte des Krieges zu untersuchen und die entsprechenden Akten zusammenzustellen. Kautsky war im März 1919 fertig. Eine Veröffentlichung wurde danach jedoch immer wieder verzögert, erst, um den Kriegsgegnern während der Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen kein Material in die Hand zu geben, dann im Hinblick auf das Ringen um die Ratifikation des Friedensvertrages. „Es war dies nicht leicht“, erklärt der liberale Politiker Konrad Haussmann, „denn die plumpe Agitation der Anhäger des alten Regiments mit ihrer Propaganda für das Kaisertum provozierte förmlich den aktenmäßigen Nachweis der großen und verhängnisvollen Schädigungen, die dieses Kaisertum mit seinem maßlosen Dilettantismus, mit seinen Entgleisungen in der Form und in der Sache dem Lande zugefügt hat. Trotzdem unterblieb die Veröffentlichung aus der höheren Rücksicht auf das Staatsinteresse in dem Zeitpunkt fortdauernder Verhandlungen mit den feindlichen Mächten.“

Was er nicht sagt: Die Akten ergaben eine weit größere deutsche Kriegsschuld, als auch die neue Regierung geahnt hatte und gegenüber dem Ausland und der deutschen Öffentlichkeit eingestehen mochte. Um das zu kaschieren erhielt das Werk noch ein relativierendes Vorwort des Staatsrechtlers Professor Walther Schücking und des Militärhistorikers Graf Max von Montgelas.

Währendessen erschien statt der deutschen ist inzwischen die englische Ausgabe erschienen und hat in der dortigen Presse Wellen geschlagen, vor allem die zahlreichen, ebenso hochemotionalen wie unqualififzierten Anmerkungen von Wilhelm II. Kautsky und sein Verleger Paul Cassirer sehen sich massiven Angriffen gegenüber, dem Ausland ermöglicht zu haben, Deutschland mit bruchstückhaften und aus dem Zusammenhang gerissenen Pasagen anzugreifen. Cassirer jedoch wehrt sich. Eine Herausgabe der deutschen Ausgabe sei für Ende Oktober geplant gewesen, die Drucklegung von der Bundesdruckerei aber ein um das andere Mal verschoben worden sei. Er habe jedesmal versucht, auch das Erscheinen der englischen Ausgabe zu verhindern, was zuletzt aber nicht mehr gelungen sei.

Gleichzeitig veröffentlicht in Frankreich der „Eclair“ Schriftstücke des früheren französischen Präsidenten Caillaux, in denen dieser seinen Nachfolger Poincaré beschuldigt, durch seine provokative Politik zum Kriegsausbruch 1914 beigetragen zu haben.

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