Sonntag, der 18. Januar 1920

In einer Sondersitzung nimmt der Reichstag das umstrittene Betriebsrätegesetz in dritter Lesung an.

 

In Frankreich geht eine Ära zu Ende. Nachdem Georges Clemenceaus Radikalsozialisten im November die Wahlen verloren haben, scheitert nun auch sein Versuch, sich zum Staatspräsidenten wählen zu lassen.

 

In Ungarn dagegen gibt es Trauerkundgebungen. Überall ist auf Halbmast geflaggt. Viele Menschen tragen Trauerflor und die Zeitungen erscheinen mit Trauerflor. Denn auch Ungarn hat von den Alliierten nun den Entwurf für einen Friedensvertrag vorgelegt bekommen, den Vertrag von Trianon. Darin wird unter anderem festgelegt, dass Ungarn die Slowakei an die Tschechoslowakei, Siebenbürgen an Rumänien, Kroatien an Jugoslawien und das Burgenland an Österreich verliert.

Der ungarische Verhandlungsführer in Paris, Albert von Apponyi, nannte den Vertragsentwurf ohne wesentliche Änderungen „absolut unannehmbar“. Die Friedensverträge mit Deutschland, Österreich und Bulgarien seien hart und drückend, aber unvergleichlich milder. Laut Apponyi wird ein seit Jahrhunderten bewährtes Staatsgebilde vollständig zertrümmert zugunsten eines gefährlichen Experimentes mit neuen lebensunfähigen Staaten. Tatsächlich jedoch sind die meisten der geforderten Abspaltungen auf Initiative der Minderheitenvölker längst vollzogen. Gegen Rumänien war im August 1919 ein kurzer Krieg verloren gegangen. Ministerpräsident Karoly Huszar erklärt: „Obwohl ohnmächtig leisten wir keinen Augenblick Verzicht. Wir werden warten, bis wir wieder stark werden, mit geschickter Diplomatie auch unsere alten Feinde zu unseren Freunden machen zu können und ganz Europa zu der Einsicht zu bringen, dass die Frage, die am dringendsten einer Lösung harrt, die Sache Ungarns ist.“ Gewaltsamen Lösungen jedoch erteilt er eine Absage: „Wir bewaffnen uns nicht, wir hören nicht auf die kriegerischen Hetzereien unverantwortlicher Faktoren, denn wenn wir ihnen folgten, würde bloß der großartige Tod uns bevorstehen.“

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