Sonntag, der 5. Januar 1919

Damit haben weder die Mehrheitssozialisten, noch die Linken gerechnet: Wie am 9. November strömen am frühen Nachmittag in Berlin Hunderttausende von Menschen in das Zentrum der Stadt. Viele davon sind bewaffnet. Sie sammeln sich vor dem Polizeipräsidium am Alexanderplatz, von wo der offiziell abgesetzte Polizeipräsident Emil Eichhorn von einem der Balkone erklärt: „Ich habe mein Amt von der Revolution empfangen, und ich werde es nur der Revolution zurückgeben.“ Sein bereits ernannter Nachfolger Eugen Ernst wird von der polizeilichen Sicherheitswehr gehindert, in das Gebäude zu gelangen. Gegen Abend besetzen Demonstranten, vor allem wohl von der gut organisierten Arbeiterschaft der Großbetriebe AEG, Schwartzkopff und Knorr-Bremse – erneut die Redaktion des Vorwärts, dessen Wachmannschaften vor der Übermacht schnell kapitulieren. Im Verlauf der Nacht übernehmen die linken Aktivisten weitere Verlage und Druckereien im Berliner Zeitungsviertel: Ullstein, Scherl und Mosse. Das hat zur Folge, das u. a. das Berliner Tageblatt, das Flagschiff des Mosse-Verlages, eine Woche lang nicht erscheinen kann. Auch die Druckerei Büxenstein, wo u. a. das deutsche Geld gedruckt wird, und das Wolffsche Telegraphenbüro fallen in die Hände der Aufständischen.

 

Weder die KPD, noch die USPD oder die Revolutionären Obleute haben das so geplant. Nun stellt sich die Frage, wie damit umgehen. Im bereits seit gestern besetzten Polizeipräsidium fordert Karl Liebknecht, die Situation zu nutzen und den Sturz der Regierung zu betreiben. Rosa Luxemburg ist nicht unter den etwa 90 Versammelten. Aber sie hat bereits im Vorfeld klar gemacht, dass sie einen Aufstand zum gegenwärtigen Zeitpunkt für eine Katastrophe hält. Auch Richard Müller und Ernst Däumig, die Sprecher der Revolutionären Obleute, sind der Meinung, dass ein Aufstand taktisch unklug sei und verfrüht käme. Aber die Mehrheit der Versammelten möchte den bewaffneten Kampf. Heinrich Dorrenbach versichert, dass sowohl die Volksmarinedivision wie auch die meisten anderen Truppenteile in Berlin zum Widerstand bereit seien. Daraufhin beschließt die Führung von USPD und KPD die begonnenen Besetzungen zu unterstützen. Es wird ein „Provisorischer Revolutionsausschuss“ aus 53 Menschen gewählt. Vorsitzende werden Karl Liebknecht, Georg Ledebour und Paul Scholze, der neue Vorsitzende der Revolutionären Obleute. 1938 werden ihn die Nazis wegen angeblicher Sabotage erschießen.

 

Auch in Hamburg besetzen Aufständische, geführt von den Revolutionären Obleuten, das Gewerkschaftshaus und eine sozialdemokratische Zeitung.

 

Ein ganz anderes Stimmungsbild ergeben die Landtagswahlen in Baden. Die Parteien des alten Interfraktionellen Auschusses erringen einen überwältigenden Sieg. Das Zentrum erhält 36,6 Prozent der Stimmen, die SPD 32 und die linksliberale Deutsche Demokratische Partei 22,7. Für die rechte Christliche Volkspartei, die später in der Deutschnationalen Volkspartei aufgeht, bleiben 7,03 Prozent der Stimmen und die USPD erhält nur 1,5 Prozent, was nicht einmal für ein einziges Mandat reicht.

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