Christa Pöppelmann > November 1918 > Montag, der 21. Oktober 1918
Montag, der 21. Oktober 1918
Die deutsche Regierung hat endlich die Antwort auf die zweite Lansing-Note fertig gestellt, die auch sofort veröffentlicht wird. Gleich zu Beginn wird das heikle Thema der bedingungslosen Räumung der besetzten Gebiete angesprochen und den Forderungen Wilsons ausgewichen. „Die deutsche Regierung“, heißt es, „ist bei der Annahme des Vorschlags der Räumung der besetzten Gebiete davon ausgegangen, dass das Verfahren bei dieser Räumung und die Bedingungen des Waffenstillstandes der Beurteilung der militärischen Ratgeber zu überlassen seien, und dass das gegenwärtige Kräfteverhältnis an den Fronten den Abmachungen zugrunde zu legen ist, die es sichern und verbürgen. Die deutsche Regierung gibt dem Präsidenten anheim, zur Regelung der Einzelheiten eine Gelegenheit zu schaffen. Sie vertraut darauf, dass der Präsident der Vereinigten Staaten keine Forderung gutheißen wird, die mit der Ehre des deutschen Volkes und mit der Anbahnung eines Friedens der Gerechtigkeit unvereinbar sein würde.“ Dann verwehrt man sich gegen den Vorwurf ungesetzlicher und unmenschlicher Kriegshandlungen. Die deutschen Truppen hätten strengste Anweisung Privateigentum und Bevölkerung nach Kräften zu schonen und nur völkerrechtlich gestattete Zerstörungen zur Sicherung des Rückzugs vorzunehmen. Sei dagegen verstoßen worden, würden die Schuldigen bestraft. Man schlage vor, die Vorwürfe durch eine neutrale Kommission zu klären. An die U-Boot-Kommandanten sei Befehl ergangen, den unbedingten U-Boot-Krieg einzustellen und das Torpedieren von Passagierdampfern zu unterlassen. Ansonsten wird noch einmal auf den Regierungswechsel und die Verfassungsänderungen hingewiesen, womit Wilsons Forderung, alle unkontrollierte Willkür und Macht gegen den Frieden zu beseitigen, entsprochen worden sei.
Die deutsche Presse äußert sich recht zustimmend, auch wenn Theodor Wolff sie in seinem Tagebuch „sehr nüchtern u. geschäftsmäßig, schwunglos“ nennt, nur das rechte Lager ist geteilt. Während etwa die Kreuzzeitung die Antwort würdevoll findet, ist für andere Blätter durch den Verzicht auf den uneingeschränkten U-Boot-Krieg ein weiterer Schritt zur Unterwerfung getan. Die katholische Germania erinnert jedoch, dass neben der gesamten Reichsregierung, das Kriegskabinett, die OHL, die Marineverwaltung, das Preußische Staatsministerium, der Bundesratsausschuss für auswärtige Angelegenheiten und die Parteiführer mitgewirkt hätten. All diese Männer würden ihre Gründe gehabt haben.
In der ausländischen Presse wird die deutsche Antwort größtenteils als Ausweichmanöver abgetan. Wenige äußern sich so verständnisvoll wie der Manchester Guardian: „Inzwischen steht fest, dass die Deutschen den Waffenstillstand ersehnen. Nur die Furcht vor einer extravaganten Forderung die hinter den bereits harten Bedingungen stecken könnte, würde sie vom Waffenstillstand zurückhalten. Aber wenn die Luft erst einmal von diesem Argwohn gesäubert sein wird, werden wir nicht lange auf einen Waffenstillstand zu warten brauchen.“ Andere französische und britische Blätter überbieten sich dagegen diesen Argwohn zu schüren. In der Morning Post heißt es: „Die kaiserliche Regierung ist unverändert und selbst wenn sie verändert wäre, so wäre der Zustand geblieben, wie er war; denn die Alliierten sind überzeugt, dass es zu nichts führt, mit den Deutschen zu reden, ehe sie geschlagen und entwaffnet sind. … Deutschland wird einen Frieden der Gerechtigkeit bekommen; aber Gerechtigkeit bedeutet Bestrafung.“ Der Matin schreibt es, die deutsche Antwort drücke die Gefühle eines Barbarenvolkes aus, dass auf seinem Plünderzug gescheitert sei, der Homme libre prangert an: „Die deutsche Regierung sucht zu argumentieren, aber sie demütigt sich nicht und unterwirft sich nicht dem Sieger.“