Sonntag, der 20. Oktober 1918

In halbseitigen Anzeigen in den Zeitungen versichert der Leiter des Reichsschatzamtes Siegfried von Roedern, dass die Kriegsanleihen eine sichere Geldanlage seien. Hinter ihnen stehe die Arbeits- und Steuerkraft des ganzen Volkes. Bundesrat und Reichstag würden ihren Verpflichtungen gerecht werden und für die Deckung der Zinsen in voller Höhe Sorge tragen.

 

Währenddessen kocht hinter den Kulissen der Streit um den U-Boot-Krieg weiter. Admiral Scheer hat sich an die OHL gewandt und erklärt, dass er den Beschluss für grundfalsch halte, das taktische Opfer aber bringen werde, wenn es die Armee wünsche. Doch Ludendorff und Hindenburg stellen sich hinter ihn. In einem Schreiben an die Regierung protestieren sie dagegen, vor einem Waffenstillstand Vorleistungen zu bringen: „Es ist die Frage zu stellen: Will das deutsche Volk um seine Ehre nicht nur in Worten, sondern tatsächlich bis zum letzten Mann kämpfen und sich damit die Möglichkeit des Wiedererstehens sichern, oder will es sich zur Kapitulation und damit zum Untergang vor der äußersten Kraftanstrengung drängen lassen?“ Selbst der Kaiser begibt sich, ebenfalls gedrängt von Scheer, in die Reichskanzlei, um Prinz Max umzustimmen. Der jedoch droht, er werde zurücktreten, wenn der U-Boot-Krieg gegen Handelsschiffe nicht eingestellt werde. Dies und die Warnung des bayerischen Gesandten Hugo Graf Lerchenfeld, dass ein Verzögern der Friedensverhandlungen der gefährlichen, antimonarchischen Stimmung im Reich weiter Nahrung gebe, bewegen Wilhelm II. zum Einlenken. Er befiehlt OHL und Seekriegsleitung, die Angriffe auf Handelsschiffe einzustellen. Mehr noch: Die Regierung fordert – auf Betreiben von Kanzler-Sekretär Kurt Hahn – von der OHL eine Erklärung, dass diese sich nicht als politischen Machtfaktor sehe und sich loyal gegenüber der Regierung verhalten werde. Allerdings steht in der Erklärung auch, dass die OHL keine politische Verantwortung trage. Die neue Regierung gewinnt damit für den Augenblick den Machtpoker, allerdings spielt sie der OHL bei dem Bestreben in die Karten, ihr auch die gesamte Verantwortung an der Niederlage und ihren Folgen zuzuschieben. Ludendorff jedenfalls unterzeichnet die Erklärung – und äußert gegenüber Ernst von Weizsäcker, er hoffe, dass Wilsons Antwort eine gründliche Ohrfeige für die Regierung sein werde. Denn dann, da ist er sich sicher, würden die Verhandlungen abgebrochen und der „Kampf bis zum äußersten“ fortgesetzt.

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