Dienstag, der 3. Februar 1920

Auf Anweisung des französischen Ministerpräsidenten Alexandre Millerand wird der deutschen Friedensdelegation eine Liste mit 890 Namen angeblicher Kriegsverbrecher überreicht – die ursprüngliche Listen hatten sogar 1590 enthalten – die auszuliefern sind. Außer Hindenburg, Ludendorff und allen Oberkommandierenden gehören auch viele deutsche Fürsten, vier Söhne Wilhelms II., der ehemalige Kanzler Bethmann Hollweg und andere hochrangige Politiker und Diplomaten dazu, sowie viele jüngere Offiziere, vor allem die überlebenden U-Boot-Kommandanten. Jeweils etwa 345 Namen gehen auf die Wünsche Frankreichs, sowie Belgiens zurück. Von England stammen 75 weitere Namen, die übrigen von Italien, Polen, der Tschechoslowakei und dem jugoslawischen Staat.

Der Vorsitzende der Delegation, Kurt von Lersner, weigert sich jedoch, die Liste entgegenzunehmen. Er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, an der Auslieferung Deutscher mitzuwirken. Telefonisch bittet er die Regierung um seine Entlassung.

In Deutschland geht die Empörung bis weit ins linke Lager hinein. Theodor Wolff spricht von einem Dokument der Schande für die Entente. Zwar ständen auf der Liste tatsächlich viele Kriegsverbrecher, die man nicht verteidigen wolle und man sei sich auch bewusst, „dass Frankreich und Belgien auf trostlose Ruinen blicken.“ Aber die Liste enthalte „ihren eigentlichen Charakter nicht durch die Aufzählung von Männern, auf denen der Verdacht, über das allgemeine Kriegsverbrechen hinaus frevelhafte Taten begangen zu haben, glaubhaft lastend ruht“, sondern durch die Nennung fast aller Heerführer. Sie sei deshalb ein „für seine Urheber schmachvolles, von Übermut, Rachedurst und nachwirkender Furcht diktiertes Aktenstück“ und zudem ungemein dumm. Wolff rügt aber auch die eigene Regierung, dass sie nicht längst Untersuchungen gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher eingeleitet habe. Am schlimmsten aber sei die Unterzeichnung des Friedensvertrages gewesen. In einem anderen Artikel heißt es, vor allem den Briten, deren Habeas-Corpus-Akte verbiete, dass jemand ohne gerichtlichen Befehl und Untersuchung in Haft genommen werde und deren Auslieferungsakte von 1870 jede Auslieferung aus politischen Gründen verbiete, müsse das Gesuch eigentlich fürchterlich peinlich sein. Abgesehen davon gäbe es Kriegsverbrecher nicht nur auf deutscher Seite, bzw. Verbrecher seien nicht nur Verbrecher, wenn sie besiegt worden sind.

Auch die Regierung erklärt, sie werde keine Auslieferungen vornehmen, aber Personen, deren Kriegsverbrechen nachgewiesen seien, in Leipzig vor Gericht stellen.

 

An der Technischen Hochschule Karlsruhe wird das chemisch-technologische Institut vorübergehend geschlossen. Das zuständige Ministerium reagiert damit auf massive Proteste der Studenten gegen die Berufung des jüdischen Professors Max Meyer. Auch an anderen Hochschule gibt es immer wieder Zwischenfälle mit rechtsgerichteten Studenten. An der Berliner Charité wurde der pazifistische Arzt Georg Friedrich Nicolai durch gewalttätige Ausschreitungen an seinen Vorlesungen gehindert und bekam schließlich die Lehrerlaubnis entzogen. Auch Vorlesungen von Max Weber wurden mehrfach massiv gestört.

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