Dienstag, der 4. Januar 1919

Die Truppen der Regierung rücken in Bremen ein. Im Laufe des Tages sterben auf Seiten der Verteidiger 28, auf Seiten der Angreifer 24 Kämpfer, dazu 29 Zivilisten, unter ihnen fünf Frauen und sechs Kinder. Bis etwa 21 Uhr haben die Regierungstruppen die ganze Stadt besetzt.

 

Im Berliner Tageblatt pocht der ehemalige Staatssekretär im Kolonialamt und jetzige Vorsitzende der Deutschen Demokratischen Partei, Bernhard Dernburg, auf die Rückgabe der deutschen Kolonien. Einen Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht der Völker sieht er nicht, ja er führt es sogar als Argument an, denn man habe mit der Berufung auf Wilsons 14 Punkte einem Rechtsfrieden zugestimmt und alle deutschen Kolonialansprüche beruhten auf Verträgen. An der Kolonialisierung an sich kann Dernburg nichts Verwerfliches sehen. Die Kolonialmacht agiere als Treuhänder der zurückgebliebenen Einheimischen, führt er aus. Im Gegenzug für den wirtschaftlichen Nutzen lasse die Kolonialmacht den Kolonialisierten ihre Kulturschätze, ihre sittlichen Begriffe und besseren Methoden zukommen, bis diese sich irgendwann alleine verwalten könnten. Was Dernburg dagegen auf die Palme bringt, ist die Heuchelei der Siegermächte, die nun deutsche Kolonialverbrechen aufführten, um Deutschlands angebliche Unfähigkeit, Kolonien zu haben, zu beweisen, die eigenen aber unerwähnt ließen. Der Vernichtungskrieg gegen die Herero war für Dernburg eine Aktion des Kommandierenden Lothar von Trotha, die in Deutschland nicht gebilligt worden sei und zu einem Ausbruch der Entrüstung geführt habe (was zu einem gewissen Teil auch stimmt), und im Gegensatz zu Franzosen und Engländern habe man nicht Hunderttausende von Eingeborenen auf europäische Schlachtfelder getrieben, um sie für Dinge kämpfen zu lassen, von denen sie nicht verstehen, zugunsten von Ländern, an deren Verwaltung sie keinen Anteil haben.

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