Mittwoch, der 5. Februar 1919

In Weimar finden den ganzen Tag über Fraktionssitzungen statt. Die SPD erkundigt sich bei der USPD, ob diese für eine Regierungsbeteiligung zur Verfügung stände. Diese erwidert, dass so etwas nicht in Frage komme, „bis die gegenwärtige Gewaltherrschaft beseitigt … und alle Kabinettsmitglieder willens seien … die demokratischen und sozialistischen Errungenschaften der Revolution gegen die Bourgeoisie und gegen die Militärautokratie sicherzustellen.“ Das Ganze hat aber sowieso nur formalen Charakter. Im Grunde ist sich die SPD längst mit der neugegründeten DDP einig. Um das bürgerliche Lager zu stärken, bestehen die Linksliberalen allerdings darauf, auch das Zentrum wieder mit in die Regierung zu nehmen, obwohl es rechnerisch nicht nötig wäre. Bei den Katholiken sind nicht alle begeistert. Der rechte Flügel und vor allem die Vertreter aus Bayern sträuben sich weiterhin gegen eine Zusammenarbeit mit den „gottlosen“ Sozialisten. Wieder ist es Matthias Erzberger, der vehement Überzeugungsarbeit leistet, dass Realpolitik Kompromisse bedeutet und ein solcher Ausgleich kein Verrat an Überzeugungen sein muss und katholische Herzensangelegenheiten wie der Erhalt der Bekenntnisschulen nur verwirklicht werden könne, wenn man mit in der Regierung sitze. In der Öffentlichkeit wird schon über die Zusammensetzung der künftigen Regierung spekuliert.

Manche künftigen Parlamentarier haben auch ihre Ehefrauen mit nach Weimar gebracht, die dort ein Besichtigungsprogramm absolvieren.

Doch nicht alle sehen die Regierungsbildung mit Wohlwollen. Der radikal linke Arbeiter- und Soldatenrat von Gotha, der an dem Rätesystem festhalten will, fordert die Regierung auf, innerhalb von 24 Stunden alle Gardetruppen abzuziehen, die Weimar bewachsen. Andernfalls werde man in Thüringen einen Generalstreik organisieren und mit Gewalt „gegen die Bedrohung Thüringens durch weißgardistische Truppen“ vorgehen.

 

In Hamburg versuchen linke Arbeiter Gebäude zu besetzen, was jedoch nicht gelingt. In Kiel sterben bei dem Versuch, die Telephonzentrale der Marinestation zu besetzen, zwei Menschen. Auch in anderen Küstenstädten gibt es Sympathiestreiks und -kundgebungen für die Bremer Räteregierung.

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