Mittwoch, der 11. Februar 1920

Die Liste mit den Auslieferungsgesuchen ist nun übergeben und wird nach und nach veröffentlicht. Teilweise werden gar nicht konkrete Namen aufgeführt, sondern Verantwortliche, etwa die Zuständigen im Kriegsministerium für gewisse besetzte Gebiete oder die Anführer bestimmter Armeeeinheiten in festgelegten Zeiträumen. Justizminister Eugen Schiffer nennt die Liste von „frivoler Oberflächlichkeit“. Grundsatz jedes Auslieferungsrecht sei es, dass die Täter und ihre Taten genau benannt würden und zur Überführung dienendes Beweismaterial angegeben werde.

 

Gleichzeitig moniert der französische Ministerpräsident, Deutschland habe bislang wesentlich weniger Kohle geliefert als vereinbart. Wieder ein Beweis, dass es nicht gewillt sei, den Versailler Vertrag zu erfüllen. Die deutsche Regierung kontert: Offizieller Beginn der vereinbarten Lieferungen sei erst, wenn mit der nach der endgültigen Ratifikation des Friedensvertrages eingesetzten Wiedergutmachungskomission entsprechende Vereinbarungen getroffen worden seien. Alle bisherigen Kohlelieferungen seien freiwillig und ein Zeichen von Deutschlands gutem Willem gewesen.

Auch in einem Interview mit dem Berlin-Korrepsondeten der Chicago Tribune verwahrt sich der deutsche Außenminister Hermann Müller gegen den Vorwurf, Deutschland habe bisher so gut wie gar nichts an wirtschaftlichen Kompensationen geleistet. Er rechnet vor, dass die Alliierten bisher Werte von über 36 Milliarden Goldmark erhalten hätten: 12 Milliarden durch liquidierte deutsche Firmen im Ausland, 7 Milliarden durch zurückgelassenes Staats- und Heereseigentum, , 6,6 Milliarden durch Staatseigentum in den abgetretenen Gebieten, 8,2 Milliarden durch die abgetretene Handelsflotte, 1 Milliarde durch die Saargruben, Kohlen im Wert von 240 Millionen, Eisenbahnmaterial für 750 Millionen, Maschinen im Wert von 150 Millionen, Kabel für 66 Millionen und Leistungen für das Besatzungsheer in Höhe von 666 Millionen.

 

Aber Not hin, politische Probleme her: In Berlin beginnt die Modewoche. Auch zahlreiche ausländische Gäste sind dabei, vor allem aus Skandinavien und Holland. Im Bereich der Herrenmode sind helle englische Stoffe der letzte – wenn auch märchenhaft teure – Schrei, vor allem schottisches „Homespun“. „Der Wahn, Mode sei Luxus, wird durch diese Ausstellungen widerlegt“, findet die bekannte Modejournalistin Julie Elias. „Auch die Luxusmode ernährt und kleidet Hunderttausende von Menschen.“ Eine bedeutende Rolle spielt auch das Kunsthandwerk. Da Stoffe teuer und Mangelware seien, seien umso mehr originelle Ideen gefragt.

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