Donnerstag, der 28. November 1918

Der Ex-Kaiser lenkt ein. Wilhelm II. gibt im Nachherein – in einer „staatsrechtlich einwandfreiden“ Urkunde – seine Einwilligung zu der am 9. November verkündeten Abdankung. Am 1. Dezember wird auch sein Sohn Wilhelm den Thronverzicht bestätigen.

 

In Berlin ist er kein Thema mehr. Dort greifen die Soldatenräte auf einer turbulenten Vollversammlung den Vollzugsrat heftig an. Dieser gerate immer mehr unter den Einfluss linkssozialer Elemente, die beiden Vorsitzenden (Richard Müller und Brutus Molkenbuhr, der anwesend ist und heftig protestiert) hätten weit über ihre Machtbefugnisse hinaus, Vollmachten an wildfremde Menschen verteilt und in allen Fragen, die Soldaten bewegten, wie der Löhnung, der Demobilisierung und der Arbeitsbeschaffung, völlig versagt. Philipp Scheidemann, der erst nach heftigen Diskussionen das Rederecht erhält, versucht den Vollzugsrat in Schutz zu nehmen. Das politische Kabinett habe sich mit dem Gremium verständigt und jede Spaltung zwischen den Arbeiter- und Soldatenräten sei unheilvoll. „Die Arbeiter- und Soldatenräte sind ein Provisorium, das absolut notwendig ist, das geschaffen werden musste, als das alte System zusammenbrach, das morscher war, als wir annahmen. Dieses Provisorium muss beibehalten werden, bis die Nationalversammlung da ist.“

Dem bürgerlichen Lager geht dieses Provisorium zunehmend auf die Nerven und erweckt auch Ängste. Man steuere mit rasender Geschwindigkeit dem Abgrund zu, wenn das wirre Durcheinander der einzelnen sozialistischen Richtungen, die einander bis aufs Messer bekämpfen, weiter andauere, warnt Erich Dombrowski im Berliner Tageblatt.

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