Samstag, der 13. März 1920

Die Regierung kommt zu einer nächtlichen Sitzung zusammen. Um 4 Uhr früh kommt man schließlich überein, nach Dresden zu fliehen. Nur Vizekanzler Eugen Schiffer von der DDP und der Zentrumsvorsitzende Karl Trimborn bleiben zurück.

Kaum haben die Autos der Regierungsmitglieder den Hof der Reichskanzlei verlassen, marschiert um 6:25 Uhr die Brigade Ehrhardt singend durch das Brandenburger Tor. Wolfgang Kapp ruft sich zum neuen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten aus.

Währenddessen lesen die meisten Berliner in ihrem Morgenzeitungen noch Berichte über die drohende Putschgefahr und deren Hintergründe. Das Berliner Tageblatt vermutet, dass der Ludendorff-Vertraute Oberst Bauer der spiritus rector des Ganzen ist. An einen gelingenden Putsch jedoch glaubt man nicht – zumal sich der Sprecher der Deutschnationalen Partei, Graf Posadowsky, erst am Dienstag im Parlament gegen einen gewaltsamen Umsturz aussprach. „Die Offiziere, die diesen groß angelegten Handstreich inszeniert haben, scheinen sich nicht darüber klar geworden zu sein, dass die demokratische Bevölkerung und die gesamte Arbeiterschaft sich ganz gewiss nicht mit einem so gewaltsamen Umsturz zur Wiederaufrichtung einer reaktionären Herrschaft abfinden würden“, schreibt das Tageblatt. „Generalstreiks auf der ganzen Linie würden die Folge sein. Die Eisenbahnen und sämtliche übrigen Verkehrsmittel würden zum Stillstand gebracht werden. Den Städten würden die Lebensmittelzufuhren und die Kohlenversorgung abgeschnitten werden. Kein Kabinett, das sich auf die Bajonettspitzen einer reaktionären Truppe stütze, würde sich länger als ein oder anderthalb Wochen halten können. Es kann sich bei diesem ganzen Unternehmen also nur um eine Episode handeln. Aber diese Episode wird der ganzen Nation ungeheuer teuer zu stehen kommen und von unabsehbaren inner- und außenpolitischen Folgen begleitet sein.“

Wenig später erscheint in Berlin tahtsächlich ein Aufruf, der vom Reichspräsidenten, den sozialdemokratischen Mitgliedern der Regierung und SPD-Vorstand Otto Wels unterzeichnet ist. Er ruft zum Generalstreik auf. Verfasst hat ihn Ulrich Rauscher, der Pressevorstand der SPD. Wer der Initiator war, ist ungeklärt. Sein Freund Theodor Heuss behauptete später, Rauscher habe auf eigene Initiative gehandelt. Der Historiker Heinrich August Winkler geht davon aus, dass Wels und Gustav Noske zumindest beteiligt waren.

Jedenfalls ist der Aufruf ein voller Erfolg. Ein umfassender Generalstreik bringt innerhalb weniger Stunden das gesamte Wirtschaftsleben in Deutschland zum Erliegen, obwohl die Kommunisten sich zunächst verweigern. „Wir kämpfen nicht für die Regierung Ebert-Noske“, erklären sie. „Unsere Parole heißt gegen die Reaktion, gegen die Verräter am Sozialismus, die Handlanger der Bourgeoisie, für die Diktatur des Proletariats.“

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