Sonntag, der 16. November 1919

In der Wochenendausgabe des Berliner Tageblattes beleuchtet Ex-Schatzminister Georg Gotheim die Probleme der reichseigenen Rüstungsbetriebe. Aufgrund der militärischen Beschränkungen, die der Versailler Vertrag Deutschland aufbürdet, ist ihr ursprüngliches Geschäft fast vollständig weggebrochen. Gothein weist darauf hin, dass diese Werke nicht nur viel zu groß seien, um „heute 100 Kaffeemühlen und morgen 50 Eisschränke“ herzustellen. Es fehle auch völlig an kaufmännischem Know-how, da die Werke nie unter Marktbedingungen arbeiteten. Es werde viel Geld und Zeit brauchen, wenigstens einen Teil profitabel zu machen. Auf Dauer unrentable Betriebe aber müssten stillgelegt werden. „Wir sind zu bettelarm geworden, um uns den höchst überflüssigen Luxus unrentabler oder gar zuschussbedürftiger Reichssbetriebe leisten zu können.“

 

Auf den Straßen finden große Demonstrationen und Versammlungen statt, auf denen die Freilassung der Kriegsgefangenen gefordert wird. Als Redner treten Politiker aller Parteien auf. Es geht vor allem um 400.000 noch in Frankreich und 200.000 in Russland inhaftierte Gefangene. England, Italien, Belgien und die USA sowie einige kleinere Länder haben ihre Gefangenen bereits freigelassen.

Dabei bleibt das Wetter unwirtlich: heftige, kalte Ostwinde und neue Schneefälle. Berlin liegt unter einer 35 Zentimeter dicken Schneedecke. Die Binnenschifffahrt droht wegen des dicker werdenden Eises zum Erliegen zu kommen. Rund um den Grunewaldsee werden Schneeschuhrennen ausgetragen.

 

 

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